Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnsitz eines Oberschlesiers in Deutschland nicht feststellbar

 

Leitsatz (amtlich)

Ist nicht feststellbar, ob und wo jemand in Deutschland seinen Wohnsitz hat, kann Kindergeld nicht gewährt werden. Aus den vorliegenden Unterlagen gehen verschiedene Möglichkeiten hervor, die in sich widersprüchlich sind. Der Kläger hat nicht dargelegt, wo er seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat. Der Einkommensteuerbescheid entfaltet hierfür keine Bindungswirkung, denn hinsichtlich des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes stellt er keinen Grundlagenbescheid dar.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 2-3, § 62

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.04.2011; Aktenzeichen III R 89/08)

BFH (Urteil vom 07.04.2011; Aktenzeichen III R 89/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Kindergeld hat.

Der Kläger ist Oberschlesier und hat als solcher sowohl die deutsche als auch die polnische Staatsangehörigkeit. Er hat den Sohn A, geboren am 22. November 2005. Seit dem 16. Februar 2006 ist er vollbeschäftigt und sozialversicherungspflichtig bei dem Bauunternehmen L GmbH.

Im Juli 2006 stellte er einen Antrag auf Kindergeld. Auf Anfrage der Beklagten teilte er mit, dass er eine Firmenwohnung habe und der Einsatzort in der weiteren Umgebung von Bu. liege. Als Nachweis hat er beigefügt einen Entgeltnachweis zur Sozialversicherung, in dem eine Adresse in B angegeben war (Bl. 13 Kindergeldakte). Mit Schreiben vom 2. November 2006 hat die Beklagte den Antrag auf Zahlung von Kindergeld abgelehnt mit der Begründung, dass die notwendigen Unterlagen noch nicht eingereicht worden seien. Daraufhin hat der Kläger eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorgelegt, dass er eine Wohnung in der H-Straße, B habe. Er zahle keine Miete und keine Nebenkosten dafür (Bl. 16 Kindergeldakte). In dem Fragebogen zur Prüfung des Wohnsitzes hat der Kläger ausgeführt, dass die Wohnung in B von seinem Vater gemietet sei und er dort für postalische Zwecke angemeldet sei. Jede dritte Woche fahre er für vier Tage nach Polen zu seiner Familie (Bl. 18 Kindergeldakte). Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2007 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klageerhebung am 9. Februar 2007 hat der Kläger gleichzeitig einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Er führt aus, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe, da er hier einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Weiterhin sei er voll sozialversicherungspflichtig und auch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Seine Arbeitnehmertätigkeit könne er nur bei dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland ausüben, da ein tägliches Pendeln vom Wohnort in Oberschlesien zur Arbeitsstätte in der Pfalz schlicht unmöglich sei. Erfüllungsort der Arbeit sei regelmäßig die weitere Umgebung von Bu. Bei dieser Sachlage sei ihm Kindergeld zu gewähren wie auch vergleichbaren anderen oberschlesischen Arbeitnehmern, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen betreffend ein Verfahren beim Finanzgericht Düsseldorf ergebe. Bei der Versagung von Kindergeld liege ansonsten die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - vor.

Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Klagebegründung vom 30. März 2007 verwiesen (Bl. 45 Kindergeldakte).

Der Kläger beantragt,

  • den Bescheid über die Ablehnung von Kindergeld vom 2. November 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2007 aufzuheben und Kindergeld für seinen Sohn zu gewähren,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass nach § 62 Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG - Anspruch auf Kindergeld habe, wer im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe oder wer nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde. Als Nachweis sei z.B. die Anmeldung zur Sozialversicherung vorgelegt worden. Dieser Nachweis sei aber nicht ausreichend, weshalb um die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2006 gebeten werde.

Der Kläger ist mit Schreiben vom 20. Juni 2007 aufgefordert worden, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vorzulegen, der bisher nicht vorgelegt wurde.

Mit Beschluss vom 16. August 2007 wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Mit Schreiben vom 6. November 2007 hat der Kläger Gegenvorstellung/Anhörungsrüge gem. § 133 a FGO erhoben und erneut einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 6. November 2007 verwiesen (Bl. 74 f. PA). Mit Beschlüssen vom 9. Januar 2008 wurde der erneute Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und die Gegenvorstellung und Anhörungsrüge zurückgewiesen.

Die Akten des Finanzamtes K wurden dem Verfahren beigezogen. Daraus ergibt sich, dass der Einkommensteuerbescheid für 2006 am 28. August 2007 ergangen ist. Der Klägervertreter hat am 15. Januar 2008 per Fax ein Schreiben geschickt, aus dem hervorgeht, dass...

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