Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.10.1994; Aktenzeichen VII R 20/94)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anwendbarkeit des § 79 Abs. 2 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundfreibetrag vom 25. September 1992 (Az. 2 BvL 5, 8 und 14/91 – Bundessteuerblatt II 1993, 413).

Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach dem Einkommensteuer- und Kirchensteuerbescheid vom 4. Januar 1993 hatten sie eine Nachzahlung in Höhe von 10.428,– DM Einkommensteuer, 40,– DM Kirchensteuer und 520,– DM Zinsen zur Einkommensteuer zu entrichten. Die Festsetzung erfolgte u.a. wegen des Grundfreibetrages nach § 32 a Abs. 1 EStG vorläufig. Mit rechtzeitig hiergegen eingelegtem Einspruch brachten die Kläger vor, bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sei der Grundfreibetrag nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Höhe, nämlich dem Existenzminimum von 19.000,– DM bei Eheleuten, abgezogen worden; der Differenzbetrag in Höhe von 7.768,– DM zum tatsächlich angesetzten Grundfreibetrag sei daher bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens 1990 abzuziehen. In Höhe des sonach differierenden Einkommensteuerbetrages von 2.812,– DM beantragten die Kläger gleichzeitig beim Beklagten die Aussetzung der Vollziehung, hilfsweise bis zur Entscheidung über diesen Antrag die Stundung dieses Betrages. Mit Bescheid vom 1. Juli 1993 lehnte der Beklagte ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung (§ 349 AO) die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab. Mit Schreiben vom 18. Juli 1993 teilten die Kläger dem Beklagten mit, daß sie im Hinblick auf die vorläufige Festsetzung ihren Einspruch nicht mehr aufrechterhalten, soweit die Herabsetzung der Einkommensteuer 1990 wegen Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages begehrt wurde. Das Vollstreckungsverbot des § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz greife jedoch im Streitfall ein und sei daher zu beachten. Mit Schreiben vom 10. September 1993 wurden die Kläger aufgefordert, zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die nicht entrichteten Steuern und Zinsen bis zum 24. September 1993 zu zahlen. Der Mahnung (§ 259 AO) war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung der Beschwerde nach § 349 oder der Klage gemäß § 45 Abs. 2 FGO.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 28. September 1993 eingegangenen Klage.

Sie beantragen,

festzustellen, daß die Zwangsvollstreckung wegen nicht entrichteter Nachforderungen von Einkommensteuer 1990 in Höhe von 2.812,– DM, Zinsen zur Einkommensteuer 1990 in Höhe von 380,– DM und Kirchensteuer 1990 in Höhe von 40,– DM, gesamt 3.232,– DM, gemäß Bescheid für 1990 über Einkommensteuer und Kirchensteuer vom 4. Januar 1993 nach § 251 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz unzulässig ist.

Zur Begründung ihres Feststellungsantrages tragen die Kläger im wesentlichen vor:

Das Vollstreckungsverbot nach § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz greife über seinen Wortlaut hinaus auch dann ein, wenn Verwaltungsakte auf einer Norm beruhten, die vom Bundesverfassungsgericht lediglich für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt worden sei. Alle Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz seien erfüllt, so daß das Vollstreckungsverbot eingreife. Das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung vom 25. September 1992 festgestellt, daß § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG in den für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 geltenden Fassungen mit der grundrechtlichen Garantie des einkommensteuerlichen Existenzminimums unvereinbar sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seinen Abweisungsantrag begründet er mit der Nichtanwendbarkeit des § 79 Abs. 2 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, daß § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG weiterhin anwendbar bleibe, folge, daß die Vorschrift des § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz hier nicht eingreifen könne. Denn die Anwendung dieser Vorschrift würde ja gerade zur Folge haben, daß Steuern nicht mehr in vollem Umfang beigetrieben werden könnten, eine Konsequenz, die das Bundesverfassungsgericht gerade ausschließen habe wollen.

Die Kläger haben ihren Einspruch gegen den Bescheid vom 4. Januar 1993 in der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 1994 in vollem Umfang zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage führt nicht zum Erfolg.

Soweit sich die Kläger gegen die Vollstreckung von Kirchensteuer wenden, ist die Klage unzulässig, da insoweit der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (§ 13 Abs. 1 KiStG; GVBl 1971, 59).

Die Klage ist zulässig. Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere die Subsidiaritätsklausel des § 41 Abs. 2 FGO nicht entgegen. Die vom Beklagten ausgesprochene Mahnung ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Di...

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