Revision eingelegt (BFH VIII R 38/18)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Überentnahmen bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Da der Steuerpflichtige bei der Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG nicht bilanziert und kein Eigenkapital ausweist, liegen Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a S. 6 i. V. m. S. 2 EStG bereits dann vor, wenn die Entnahmen des Steuerpflichtigen die Summe der Einlagen und des Gewinns des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die periodenübergreifende Berechnung nach § 4 Abs. 4a S. 3 EStG gilt sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG als auch bei der nach § 4 Abs. 3 EStG.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4a S. 6 i. V. m. S. 1 bis 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.05.2022; Aktenzeichen VIII R 38/18)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte für Überentnahmen des Klägers zu Recht nicht abziehbare Schuldzinsen hinzugerechnet hat.

Der Kläger ist Architekt und erzielte in den Streitjahren 2010, 2011 und 2013 Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung. Sein Architekturbüro befand sich in A. Seinen Wohnsitz hatte er in B.

Selbst unter Mitwirkung der Beteiligten konnten die Gewinne, Einlagen und Entnahmen der Jahre 2000 bis 2002 infolge des Ablaufs der Aufbewahrungsfristen nicht mehr ermittelt werden. Von 2003 bis 2013 ergaben sich aus den Akten folgende Gewinne, Einlagen und Entnahmen des Klägers in € (Überentnahmen [ÜE] sind mit -, Unterentnahmen [UE] mit + gekennzeichnet.):

Jahr

2003

2004

2005

2006

2007

2008

I. Gewinn

171.211,-

163.412,-

63.818,-

69.870,-

172.635,-

141.162,-

II.Einlage

119.614,-

36.003,-

10.800,-

64.500,-

95.690,-

95.232,-

I+II.Summe

290.825,-

199.415,-

74.618,-

134.370,-

268.325,-

236.394,-

Entnahme

342.345,-

148.129,-

160.522,-

138.075,-

217.974,-

185.988

ÜE/UE

-51.520,-

+51.286,-

-85.904,-

-3.705,-

+50.351,-

+50.406,-

Schuldzins lt. Bekl.

2.940,-

7.080,-

1.958,-

10.503,-

4.411,-

1.473,-

Jahr

2009

2010

2011

2012

2013

I. Gewinn

245.213,-

222.257,-

99.793,-

158.957,-

211.356,-

II.Einlage

87.095,-

49.800,-

59.696,-

50.894,-

40.520,-

I+II.Summe

332.308,-

272.057,-

159.488,-

209.851,-

251.876,-

Entnahme

438.828,-

253.088,-

217.329,-

254.734,-

215.705,-

ÜE/UE

-106.520,-

+18.969,-

-57.840,-

-44.883,-

+36.171,-

Schuldzins lt. Bekl.

7.864,-

2.309,-

6.226,-

1.147,-

4.414,-

In den Einnahmenüberschussrechnungen 2010, 2011 und 2013 erklärte der Kläger zur Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Jahr 2010 Schuldzinsen in Höhe von 894,09 €, im Jahr 2011 von 463,45- € und im Jahr 2013 in Höhe von 1.028,52 € (Bilanzakte, Bd. I, Bl.1 Rs., Bl.5 und Bl.11 Rs.).

Nach den vom Kläger für die Jahre 2010, 2011 und 2013 eingereichten Erklärungen zur Feststellung des Gewinns aus selbständiger Tätigkeit ergingen zunächst die Erstbescheide des Beklagten über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheide). In diesen stellte er die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit und die nicht abziehbaren Schuldzinsen fest. Die Bescheide ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer internen Prüfung stellte der Beklagte fest, dass die Berechnungen der nicht abziehbaren Schuldzinsen für Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG fehlerhaft gewesen seien. Infolgedessen ergingen am 25. August 2015 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide, in denen der Beklagte den Gewinn des Klägers im Jahr 2010 in Höhe von 224.565,85 €, im Jahr 2011 in Höhe von 103.505,56 € und im Jahr 2013 in Höhe von 212.692,01 € feststellte. Die Bescheide ergingen endgültig. Als Grund für die Änderung verwies der Beklagte auf die Neuberechnung der Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG.

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und führte an, der Überentnahmebetrag in Höhe von 131.073,- €, der zur weiteren Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen zum 31. Dezember 2009 zu Grunde gelegt worden sei, sei fehlerhaft. Es seien zum 31.12.2009 Überentnahmen von Null anzusetzen. Dementsprechend seien die Überentnahmen in den Folgejahren zu korrigieren. Das Eigenkapital des Unternehmens sei nicht negativ gewesen. Die Berechnungsmethode gemäß § 4 Abs. 4a EStG sei fehlerhaft.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2015 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass der im Rahmen der periodischen Berechnung der Überentnahmen unterstellte fiktive negative Eigenkapitalvortrag zum 1. Januar 2010 aus dem Jahr 2009 in Höhe von 131.073,- € unzutreffend und zu korrigieren sei.

Der negative Kapitalvortrag zum 1. Januar 2010 in Höhe von 131.073,- € unterstelle, dass der Kläger als Unternehmer über das im Unternehmen benötigte Fremdkapital hinaus Gelder im Rahmen seines Unternehmens aufgenommen und für unternehmensfremde Zwecke verwendet habe. Dies entspreche dem Bild einer Überentnahme.

Ungeachtet der seit 1999 nach den Regel...

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