Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Anforderungen an den Nachweis einer Behinderung und der Unmöglichkeit zur Erwerbstätigkeit - klagegegenständlicher Zeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegenstand einer Klage gegen die Ablehnung oder Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung ist der Zeitraum ab der Ablehnung, bzw. Aufhebung bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, wenn die Familienkasse nicht ausdrücklich einen anderen Zeitraum beschieden hat. Dies gilt auch dann, wenn sie in der Einspruchsentscheidung zu erkennen gibt, dass sie auch für spätere Zeiträume die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld nicht als gegeben erachtet.

2. Zu den Anforderungen an die Substantiierung ärztlicher Gutachten zur behinderungsbedingten Erwerbsunfähigkeit:

Das Gericht kann die Erwerbsfähigkeit des Kindes anhand der vom Kläger vorgelegten Berichte und Stellungnahmen der behandelnden Ärzte beurteilen, wenn diese im Gegensatz zu denjenigen der Familienkasse bzw. der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit, bei denen es sich ebenso um Parteigutachten handelt, schlüssig und nachvollziehbar sind.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3; FGO § 44 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger für seinen behinderten Sohn einen Anspruch auf Kindergeld hat.

Der Kläger bezog in der Vergangenheit für seinen am 22. Dezember 1964 geborenen Sohn M Kindergeld. Dem lag eine Schwerbehinderung des Sohnes zu Grunde. Diese war durch Bescheid festgestellt worden. Mit einem Bescheid des Versorgungsamtes vom 10. Januar 1997 wurde ein Grad der Behinderung von 80 wegen einer Neurose festgestellt (zuvor 90). Gesundheitliche Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen wurden keine vergeben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres bereits bestand. Mit Schwerbehindertenausweis vom 26. April 2002 wurde erneut ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Zuvor war durch Begutachtung einer Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie vom 13. Januar 2002 festgestellt worden, dass M seit seiner Kindheit an einer chronischen über Jahre anhaltenden depressiven Symptomatik leide, die das Ausmaß einer rezidivierenden depressiven Störung mit fast ständig schweren Episoden ohne psychotische Symptome (ICD 10 F 33.2) erreiche. Die Ärztin ging von einem Grad der Behinderung von 100 aus. Auf den Inhalt des ärztlichen Befundberichtes vom 13. Januar 2002 wird verwiesen (Blatt 6-7 der Verwaltungsakte). Aufgrund eines weiteren ärztlichen Befundberichtes der gleichen Ärztin vom 8. Februar 2006 ging diese weiterhin von einem Grad der Behinderung von 100 aus. Sie führte aus, dass M seit 1999 einmal wöchentlich regelmäßig zu ihr zum Gespräch komme. Seit dem letzten Bericht vom Januar 2002 hätten sich keine wesentlichen Änderungen ergeben. Auf den Befundbericht wird verwiesen (Blatt 9-10 der Verwaltungsakte).

Infolgedessen ging das Amt für soziale Angelegenheiten von einem Fortbestand der Schwerbehinderteneigenschaft aus. Kindergeld wurde weiterhin geleistet. Dies erfolgte auch nach einem Antrag vom 5. Juli 2011 auf Weiterzahlung von Kindergeld für ein über 18 Jahre altes behindertes Kind. Die Festsetzung erfolgte durch die damals zuständige Zentrale Besoldungs- und Versorgungsstelle -Landesfamilienkasse- mit Bescheid vom 13. Juli 2011. Es wurde Kindergeld bis zum 31. Juli 2016 festgesetzt.

Am 8. Juni 2016 beantragte der Kläger erneut Kindergeld. Die Landesfamilienkasse sah sich nicht in der Lage, ohne eine Begutachtung des M durch den ärztlichen/psychologischen Dienst der Agentur für Arbeit weiterhin Kindergeld zu leisten. Als Ergebnis einer Begutachtung stellte die Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit fest, dass M nicht in der Lage sei, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 h wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarkt auszuüben. Dieses Unvermögen sollte voraussichtlich sechs Monate, aber nicht auf Dauer feststehen. Eine Nachbegutachtung in ca. zwölf Monaten werde angeraten. Mit Bescheid vom 15. September 2016 wurde für den Zeitraum 1. August 2016 bis 31. Juli 2017 Kindergeld festgesetzt.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 wurde M aufgefordert, sich erneut begutachten zu lassen. Der Kläger legte einen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. G vom 22. Juni 2017 vor, nach dem sich M seit Ende 2016 bei ihm in Behandlung befinde. Unter Bezugnahme auf die nach wie vor bestehende Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 kam dieser zum Ergebnis, dass weiterhin die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld aufgrund einer chronischen Behinderung vorlägen. Auf den Befundbericht wird verwiesen (Blatt 62-63 der Verwaltungsakte).

Die Landesfamilienkasse beauftragte die Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit festzustellen, ob M eine mindestens 15 Stunden pro Woche umfassende arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Diese erklärte, M habe einen Ge...

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