Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unzureichender Postausgangskontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

Die ordnungsgemäße Organisation in einer Steuerberatungskanzlei erfordert die Anweisung, Fristen erst dann zu löschen, wenn das fristwahrende Schriftstück abgesandt worden ist oder zumindest sichere Vorsorge dafür getroffen ist, dass es rechtzeitig hinausgeht.

Auch wenn kein separates Postausgangsbuch geführt werden muss, so bedarf es jedoch vergleichbarer Vorkehrungen im Kanzleibetrieb. Die bloße Ablage der Abschriften in einem Tageskopie-Ordner ohne jedwede Paginierung der Schriftstücke oder Datumsvermerke verbunden mit der allgemeinen Anweisung zur Absendung durch die Postausgangsstelle reicht nicht aus.

 

Normenkette

AO § 110 AO § 357 Abs. 1; BGB § 130

 

Tatbestand

Vorliegend ist in Streit, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren ist.

Der Beklagte hatte im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 5. Juli 2002 die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen abweichend von der eingereichten Einkommensteuererklärung angesetzt, wobei die Abweichung im Steuerbescheid erläutert wurde. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig.

Auf Grund einer Vollstreckungsankündigung vom 7. Oktober 2002 teilte die Bevollmächtigte des Klägers - die Prozessbevollmächtigte in diesem Verfahren - telefonisch mit, dass sie am 24. Juli 2002 fristgemäß gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 ihres Mandanten Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt habe. Der Eingang eines entsprechenden Einspruchsschreibens konnte jedoch beim Beklagten nicht festgestellt werden.

Daraufhin beantragte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 14. Oktober 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO- und fügte gleichzeitig eine Fotokopie des Einspruchsschreibens vom 24. Juli 2002 bei. Mit weiterem Schreiben legte sie ferner eine Kopie des Fristenkontrollbuches vor, in welchem u.a. das Bescheiddatum, der Vorlagetermin, das Datum der Bestandskraft sowie das Datum der Prüfung des Bescheides vermerkt ist. Danach wurde der Bescheid am 24. Juli 2002 von einem Mitarbeiter der Steuerberatungskanzlei überprüft. In einer Vermerkspalte ist der Eintrag "Einspruch" enthalten. Weiterhin legte sie die Kopie eines Schreibens der Steuerberatungskanzlei an den Kläger vom 24. Juli 2002 vor, in dem dieser darüber informiert wurde, dass gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 Einspruch eingelegt wurde. Ferner übersandte sie eine Fotokopie des Steuerbescheides mit einem Erledigungsvermerk der Steuerberatungskanzlei in Form eines Stempelaufdrucks. Der Stempelaufdruck enthält folgende Eintragungen: "Bescheid eingegangen - 11.07., Bescheid geprüft - 24.07.02, Einspruch eingelegt - 24.07.02, Original an Mandant - ja. Darüber hinaus trug die Bevollmächtigte des Klägers vor, dass sämtliche Schriftstücke, die die Steuerberatungskanzlei auf dem Postweg verließen, kopiert und in einem Ordner "Tageskopien" abgelegt würden. In diesem Ordner sei unter dem Datum vom 24. Juli 2002 u.a. auch das Einspruchsschreiben abgelegt.

Der Beklagte verwarf mit Entscheidung vom 13. November 2002 den Einspruch wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als unzulässig. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO lehnte er mit der Begründung ab, dass die rechtzeitige Absendung des Einspruchsschreibens nicht glaubhaft gemacht worden sei. Bei Bevollmächtigten, die die Rechtsberatung berufsmäßig ausübten, sei hierzu die Schilderung der Fristen- und der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und durch Vorlage des Fristenkontrollbuches und des Postausgangsbuches glaubhaft zu machen. Um die rechtzeitige Absendung glaubhaft zu machen, bedürfe es ferner der lükkenlosen und schlüssigen Darstellung des Absendevorgangs dahingehend, welche Person zu welchem Zeitpunkt in welcher Weise den Brief, in dem sich das betreffende Schriftstück befunden haben solle, aufgegeben habe. Die steuerliche Beraterin des Klägers habe selbst eingeräumt, dass kein Postausgangsbuch geführt werde, sondern lediglich neben der Führung eines Fristenkontrollbuches sämtliche Schriftstücke, die das Haus auf dem Postweg verließen, kopiert und separat in einem Ordner "Tageskopien" abgelegt würden. Diese Verfahrensweise genüge nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderung an die Glaubhaftmachung einer ordnungsgemäßen Fristen- und Postausgangskontrolle.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass ihm wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist gem. § 110 Abs. 1 AO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, weil vorliegend weder ihm selbst noch seiner Bevollmächtigten ein Verschulden vorzuwerfen sei. Die Bevollmächtigte des Klägers habe am 24. Juli 2002 fristgerecht Einspruch eingelegt. Der Kläger selbst sei mit gleicher Post vom 24. Juli 2002 von der Bevollmächtigten darüber informiert worden, d...

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