Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung im Rahmen einer Außenprüfung - Zugrundelegung eines oberhalb der Richtsatzsammlung liegenden Rohgewinnaufschlagsatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine abschließende und damit beide Beteiligte bindende Verständigung ist - unter der Voraussetzung der Beteiligung eines zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugten Amtsträgers - auch im Rahmen einer Außenprüfung möglich.

2. In Einzelfällen können die Rohgewinnaufschlagsätze auch außerhalb des von der Richtsatzsammlung ausgewiesenen Rahmens liegen, da es sich sowohl beim oberen als auch unteren Satz nicht um einen absoluten, sondern um einen gewogenen Wert handelt.

3. Ein oberhalb des Rahmens von 186 % - 400 % liegender Rohgewinnaufschlagsatz von 588 % erscheint im Bereich asiatischer Restaurants erzielbar.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3; AO § 146 Abs. 1 Sätze 1-2, § 162 Abs. 1, 2 S. 2, § 172 Abs. 1 S. 1, § 393 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.06.2017; Aktenzeichen X B 28/17)

 

Tatbestand

Streitig ist die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung.

Der (geschiedene) Kläger wurde im Streitjahr 2013 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er betreibt seit Ende August 2010 in der Str. 1 in 1 ein Asia-Restaurant. Das Restaurant ist täglich von 17:00 Uhr bis 23:00 Uhr und sonn- und feiertags zusätzlich von 11:30 Uhr bis 14:00 Uhr geöffnet. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

In der Einkommensteuererklärung 2013 gab er den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 67.354 € an. Mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 14.07.2014 wurde der Kläger erklärungsgemäß veranlagt.

Im Rahmen der mit Prüfungsanordnungen vom 01.08.2014 und 21.08.2014 verfügten Außenprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Tageseinnahmen durch Tagesendsummenbons ermittelte und die hierzu verwendete elektronische Registrierkasse des Typs Quorion die Durchführung von Stornierungen ermöglichte, die auf den Tagesendsummenbons nicht ersichtlich waren. Eine Registrierkassenauswertung anhand eines sog. Zeitzonenberichts ergab in den Jahren 2010 bis 2014 Stornierungen von insgesamt 647.373 €, die alle außerhalb der üblichen Öffnungszeiten von 17:00 Uhr bis 23:00 Uhr vorgenommen worden waren. Da damit der Verdacht bestand, dass der Kläger seine Umsätze nicht vollständig erklärt hatte, übernahm die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts 2 die weitere Prüfung. Der Kläger räumte ein, dass er die Registrierkasse manipuliert hat, indem er mit glatten Minusbeträgen Stornierungen vorgenommen und die stornierten Beträge in bar entnommen hat. Seinen Angaben zufolge machte er die Storno-Bons mit Wasser nass, zerriss sie und warf sie in wechselnde Mülleimer. Die Storno-Höhe war von den tatsächlich erzielten Umsätzen abhängig. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 30.09.2014 zeigte der Kläger körperlich an der Kasse exemplarisch einen Manipulationsvorgang: er wählte den Manager-Modus (MGR), drückte dann die Taste "Berichtigung", wählte einen Tisch aus (nach eigenen Angaben in der Regel Tisch 1 oder 2), gab den zu stornierenden Betrag ein, anschließend den Bereich "Getränke div." oder "Wok div.". Zum Abschluss bestätigte er den Vorgang nochmals mit dem gewählten Tisch, gab dann den Ausdruck einer Rechnung und zuletzt die Barauszahlung an. Die Höhe der stornierten Beträge wusste der Kläger nicht mehr. Er gab an, die anhand des Zeitzonenberichts vorgehaltene Größenordnung treffe nicht zu, gleichwohl strebe er eine tatsächliche Verständigung an. Zum Verbleib des Schwarzgeldes gab der Kläger an, dass er sich zur Geschäftseröffnung von einem Bekannten aus Vietnam Geld geliehen habe, das er dann nach und nach in bar im Urlaub zurückgegeben habe. Eine von der Steuerfahndung durchgeführte Kalkulation der Umsätze ergab einen geringeren Jahresfehlbetrag von ca. 100.000 €, den der Prüfer u.a. mangels konkreter und vollständiger Aufzeichnungen mit getätigten schwarzen Wareneinkäufen erklärte. Abschließend einigten sich die Parteien am 29.10.2014 im Wege einer tatsächlichen Verständigung auf eine Zuschätzung von Betriebseinnahmen von insgesamt 620.000 € (brutto), die sich auf die einzelnen Veranlagungszeiträume mit 50.000 € (2011), 200.000 € (2012 und 2013) und 170.000 € (2014) verteilten. Bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung war neben dem Kläger auch dessen Steuerberater Z1 aus der Kanzlei Z anwesend. In der tatsächlichen Verständigung wurde von den Parteien folgender Passus aufgenommen:

"Im Bereich der Betriebsausgaben sind keine Zuschätzungen veranlasst. Der Umstand, dass sowohl im Bereich der Betriebseinnahmen als auch im Bereich der Betriebsausgaben Buchführungsmängel vorliegen, wurde summarisch bei der Findung der Zuschätzungsgrößenordnung im Bereich der Betriebseinnahmen berücksichtigt."

Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt am 16.04.2015 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbes...

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