Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung des Finanzamts mit Altmasseverbindlichkeiten gegen Vorsteuer aus der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters für seine Tätigkeit vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit Zur Frage einer anfechtbaren Rechtshandlung im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO analog

 

Leitsatz (redaktionell)

1a) Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelten die Aufrechnungsverbote nach § 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 InsO entsprechend, damit nicht die für die Verteilung der unzulänglichen Masse geltenden Rechtsregeln durch eine Aufrechnung unterlaufen werden können.

1b) Der bei unmittelbarer Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO geltenden Unterscheidung zwischen Insolvenz- und Massegläubigern entspricht bei entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Unterscheidung zwischen Alt- und Neumassegläubigern.

1c) Vorsteuervergütungsansprüche, die nur teilweise auf entsprechend § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbaren, im Übrigen auf unanfechtbaren Rechtshandlungen beruhen, unterliegen in vollem Umfang dem Aufrechnungsverbot.

2a) Eine Leistung des vorläufigen Insolvenzverwalters, die dazu führt, dass das Finanzamt mit Steuerschulden gegen einen Vorsteueranspruch aufrechnen kann ist eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 131 Abs.1 InsO.

2b) Im Fall der Masseunzulänglichkeit ist § 131 InsO in der Weise anzuwenden, dass an die Stelle eines Insolvenzgläubigers ein Altmassegläubiger und an die Stelle des Eröffnungsantrags die Anzeige der Masseunzulänglichkeit tritt.

2c) Ausgeschlossen ist allerdings die sinngemäße Anwendung des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO, der an die Zahlungsunfähigkeit anknüpft, weil es bei der Masseunzulänglichkeit kein der Zahlungsunfähigkeit vergleichbares Kriterium gibt. IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242, unter II.2.b.).

 

Normenkette

InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt mit Altmasseverbindlichkeiten gegen Vorsteuer aus der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters für seine Tätigkeit vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit aufrechnen darf, wenn erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das Insolvenzgericht die Vergütung festsetzte und der vorläufige Insolvenzverwalter die Vergütung berechnete.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft (KG). Am 21.03.2013 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Für Mai 2013 meldete er für die KG eine Umsatzsteuerschuld von xxxxxxx € an. Am 01.06.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die KG war damals überschuldet und zahlungsunfähig. Am 04.06.2013 zeigte der Kläger Masseunzulänglichkeit an. Im März 2014 setzte das Insolvenzgericht die Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung einschließlich Auslagenersatz auf xxx € zuzüglich xxx € Umsatzsteuer fest und der Kläger stellte eine entsprechende Rechnung an die Masse, in der er die Umsatzsteuer gesondert auswies. Unter Berücksichtigung dieser Rechnung ermittelte der Insolvenzverwalter ein Guthaben aus der Umsatzsteuervorauszahlung für März 2014 von xxx €. Die Finanzverwaltung rechnete in Höhe eines Teilbetrags von xxxx € mit der Umsatzsteuervorauszahlung Mai 2013 auf und zahlte den verbleibenden Teilbetrag von xxxx € aus. Dabei ging es davon aus, dass das Guthaben in Höhe des aufgerechneten Teilbetrags vor, im Übrigen nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet sei. Der Kläger wandte sich gegen die Aufrechnung und beantragte einen Abrechnungsbescheid.

Der Beklagte (das Finanzamt) erließ einen Abrechnungsbescheid, in dem es die Aufrechnung als wirksam behandelte und ein Guthaben aus der Umsatzsteuervorauszahlung März 2014 von 0 € feststellte.

Den dagegen erhobenen Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 08.10.2018 zurück. Die Umsatzsteuervorauszahlung für März 2014 ergebe sich aus Umsatzsteuer von xxx € auf laufende Ausgangsumsätzen zum allgemeinen Steuersatz von xxxx €, einer Berichtigung von xx €, laufender - nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründeter - Vorsteuer von xxxx € und - vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründeter - Vorsteuer aus der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters von xxxx €. Mit der Umsatzsteuervorauszahlung für Mai 2013 könne gegen die Umsatzsteuervorauszahlung für März 2014 aufgerechnet werden, soweit letztere vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet sei. Zur Abgrenzung von Alt- und Neumasse sei die laufende Umsatzsteuer vorrangig mit der vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründeten Vorsteuer zu saldieren. Danach verbleibe ein zu der Altmasse gehörendes, mithin aufrechenbares Guthaben in Höhe von xxxx €.

Mit der Klage macht der Kläger geltend, die Aufrechnung sei schon deswegen unzulässig, weil die Umsatzsteuervorauszahlung Mai 2013 eine Altmasseverbindlichkeit sei, während der Vorsteuervergütungsanspruch aus der Tätigkeit des Insolvenzverwalters zur Neumasse gehöre. Darüber hinaus sei die Aufrechnung ausgeschlossen, weil das Finanzamt die Mö...

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