Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aus fehlerhaften Rechnungen - Zur Änderungsmöglichkeit nach einer Außenprüfung - Zur Beweislast für das Vorliegen eines Steuervergehens

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mehrwertsteuerrichtlinien verbieten es nicht, fehlerhafte Rechnungen mit Rückwirkung zu berichtigen. Es ist fraglich, ob die bisherige Rechtsprechung des BFH zu den Fragen der nachträglichen Rechnungsberichtigung aufrechterhalten bleibt.

Im Aussetzungsverfahren ist bei der Abwägung des Vollzugsinteresses im Hinblick auf die Neutralität der Umsatzsteuer zu berücksichtigen, dass wegen einer offensichtlichen Versteuerung der in einer fehlerhaften Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ein Steuerschaden nicht eingetreten ist.

Ist bei der Zeichnung der aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung ergangen Steuerbescheide ein Sachverhalt dem Grund nach bekannt, so ist es zweifelhaft, ob aufgrund einer anderen Beurteilung eine Änderung wegen neuer Tatsachen möglich ist.

Im Hinblick auf die Neutralität der Umsatzsteuer kann eine objektive Steuerverkürzung aufgrund eines Vorsteuerabzugs aus einer fehlerhaften Rechnung fraglich sein, wenn der Umsatz versteuert wurde.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3 iVm Abs. 2; AO § 173 Abs. 2, § 169 Abs. 1 S. 1, § 370 Abs. 1; UStG § 15 Abs. 1; UStDV § 31 Abs. 5

 

Tatbestand

I.

Im Hauptsacheverfahren ist streitig, ob der Antragsteller (Ast) berechtigt ist, aus Rechnungen des A B gesondert ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern abzuziehen.

Der Ast ist Geschäftsinhaber der Firma Z Immobilien Y Z e.K., einem Maklerunternehmen für Immobilien. Das Geschäft übernahm der Ast von seiner Mutter mit dem Recht der Firmenfortführung. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 20.01.1999. Seinem Vater Y Z wurde Einzelprokura übertragen.

Der Ast übernahm eine Geschäftsverbindung zur T Lebensversicherung AG, die der Firma des Ast die Vermakelung zahlreicher Immobilienobjekte andiente, die sie aus ihrem Immobilienbestand in der Bundesrepublik Deutschland verkaufen wollte. Der im Immobilienbereich der T Lebensversicherung AG tätige angestellte A B gab dem Ast bereits im Vorfeld einer beabsichtigten Immobilienveräußerung wichtige Hinweise, um ihn in die Lage zu versetzen, einen passenden Käufer zu finden. Teilweise erbrachte A B für den Ast alle Vorarbeiten, um möglichen Kaufinteressenten das Immobilienobjekt im Einzelnen zu beschreiben. Über seine Leistungen erteilte A B dem Ast verschiedene Rechnungen. In einem Großteil der Rechnungen beschrieb A B seine Leistungen als Standortgutachten und -prognosen verschiedener Städte in der Bundesrepublik Deutschland. Diesen Rechnungen waren umfangreiche Daten und Analysen zur Immobiliensituation in diesen Städten beigefügt.

In einer Reihe weiterer Rechnungen beschrieb A B seine jeweiligen Leistungen bezüglich konkreter Immobilien hinsichtlich einzelner abgeschlossener Kaufverträge.

In allen Rechnungen war das Unternehmen von A B als betriebswirtschaftliche Beratungen bezeichnet, seine Anschrift war angegeben und sowohl das Entgelt für die erbrachten Leistungen als auch die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. A B war beim Finanzamt F mit seinem Unternehmen steuerlich erfasst und er hatte für sein Unternehmen jeweils die dem Ast in Rechnung gestellte Umsatzsteuer angemeldet und abgeführt.

Der Ast machte die von A B in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge in seinen Umsatzsteueranmeldungen als Vorsteuern geltend.

In seiner Umsatzsteuererklärung für 1999 vom 11.05.2001 meldete er eine Umsatzsteuer von 27.194,10 DM an. In der Umsatzsteuererklärung für 2000 vom 04.10.2002 meldete er eine Umsatzsteuer von 27.321,50 DM an. In seiner Umsatzsteuererklärung für 2001 vom 07.01.2003 meldete er eine Umsatzsteuer von 29.064,50 DM an. In der Umsatzsteuererklärung für 2002 vom 06.02.2004 meldete er eine Umsatzsteuer von 72.203,97 € an. Die Steueranmeldungen standen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 164 Abs. 1, 168 AO).

Mit dem Schreiben vom 12.02.2004, das am selben Tag beim Finanzamt einging, unterrichtete es der Ast über seine Geschäftsbeziehungen zu A B. Dem Schreiben war eine umfangreiche rechtliche Stellungnahme zu den Fragen der Unternehmereigenschaft, der Zurechnung von Leistungen, der Beurteilung von Scheingeschäften, der Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug und zu Möglichkeiten der Rechnungsberichtigung beigefügt. Am Ende des Schreibens führte der Ast aus, für den Fall, dass das Finanzamt der vorstehenden Rechtsauffassung nicht zustimme und zur Vermeidung von steuerlichen Rechtsnachteilen solle dieses Schreiben als Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO betrachtet werden.

Nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer 2003 durch das Finanzamt gab der Ast zunächst eine Umsatzsteuererklärung am 23.12.2005 und danach am 02.05.2006 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ab, in der er einen Erstattungsbetrag von 395.747,74 € für 2003 anmeldete. Das Finanzamt folgte der Erklärung und änderte die Steuerfestsetzung ents...

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