Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuschätzung von Sachentnahmen bei sog. Non-Food-Artikel aufgrund fehlender Aufzeichnungen bei einem Supermarktbetreiber. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 28/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Höhe der Sachentnahmen und unentgeltlichen Wertabgaben im Zusammenhang mit sog. Non-Food-Artikeln ist für den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel grundsätzlich allein nach den Pauschbeträgen der jeweils einschlägigen amtlichen Richtsatzsammlungen zu bemessen. Eine darüber hinausgehende Hinzuschätzung ist dann unzulässig.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte (Finanzamt –FA–) zusätzlich zu den Pauschbeträgen, welche in den für die Streitjahre 2015 bis 2017 jeweils gültigen amtlichen Richtsatzsammlungen für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben betreffend den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel (Einzelhandel) vorgesehen sind, weitere Hinzuschätzungen für Nicht-Lebensmittel, sog. „Non-Food-Artikel”, vornehmen durfte.

Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2015 bis 2017 als Einzelkaufmann unter der Firma „XXX” (Handelsregister … des Amtsgerichts E., HRA …) zwei Supermarkt Filialen in der Z.-Straße 01 und 02 in E. Seinen Gewinn ermittelte der Kläger durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Warensortiment des Klägers umfasste neben Lebensmitteln und Getränken sowie Genussmitteln (etwa Tabakwaren) auch sog. Non-Food-Artikel, insbesondere Wasch- und Putzmittel, Hygiene- und Kosmetikprodukte sowie Schreibwarenartikel. Auf die hierzu mit Schriftsatz des Klägers vom 21.9.2021 als Anlagen übersandten Warengruppenübersichten für die Streitjahre wird Bezug genommen. Nach eigenen Angaben tätigte der Kläger in den Streitjahren – mit Ausnahme von Tabakwaren – Entnahmen aus dem gesamten Warensortiment. Gesonderte Aufzeichnungen über seine Warenentnahmen führte der Kläger nicht. Vielmehr berücksichtigte der Kläger im Rahmen seiner Gewinnermittlungen unter Anwendung des jeweils gültigen BMF-Schreibens betreffend die Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben Gewinnerhöhungen im Umfang der dort genannten Pauschbeträge für den Gewerbezweig „Nahrungs- und Genussmittel (Eh.)”. Hierbei stellte der Kläger auf einen Zweipersonen-Haushalt ab. Der Kläger wurde insoweit zunächst erklärungsgemäß veranlagt.

Ab dem x.x.2019 führte das Finanzamt für …-Betriebsprüfung … (BP-FA) in den Betrieben des Klägers eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer, gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Gewerbesteuer für die Jahre 2015 bis 2017 durch. Hierbei stellte das BP-FA fest, dass der Kläger keine gesonderten Aufzeichnungen über Warenentnahmen geführt habe. Zwar könne die Bewertung von Warenentnahmen in bestimmten Branchen – unter anderem auch für den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel (Eh.) – nach Pauschsätzen vorgenommen werden, die von der Finanzverwaltung festgesetzt und mit der Richtsatzsammlung fortgeschrieben werden würden. Allerdings sei die Einordnung der Betriebe des Klägers in den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel (Eh.) nur bedingt erfüllt, da das Warensortiment in den Streitjahren auch Non-Food-Artikel umfasst habe. Auch aus diesem Warensegment habe die Möglichkeit von unentgeltlichen Entnahmen bestanden, ohne dass der Kläger hierzu gesonderte Aufzeichnungen gefertigt habe. Die durch das BMF jährlich veröffentlichten Pauschbeträge für Sachentnahmen bzw. unentgeltliche Wertabgaben seien aber ausschließlich für die Sachentnahmen bzw. unentgeltlichen Wertabgaben von Nahrungsmitteln und Getränken anzuwenden. Deshalb sei der Pauschbetrag auf den Bereich der Lebensmittel und Getränke beschränkt und beinhalte nicht zusätzlich das komplette Non-Food-Warenangebot eines Vollsortiment-Supermarkts. Da der Kläger bisher keine Aufzeichnungen über die Entnahme von Non-Food-Artikel gefertigt habe, müsse die Bewertung der Sachentnahmen bzw. unentgeltlichen Wertabgaben im Schätzungswege erfolgen (§ 162 AO). Hierbei bestehe die Möglichkeit von einem pauschalen Ansatz je Monat und Mandantenhaushalt in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche – hier in Bezug auf die Fläche der Filiale Z.-Straße 01 – auszugehen. Auf dieser Grundlage werde der pauschale Ansatz mit EUR 140,– netto pro Monat zzgl. 19 % Regelumsatzsteuersatz, demnach mit EUR 1.680,– zzgl. EUR 319,20 Umsatzsteuer je Kalenderjahr, geschätzt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom xx.xx.2019 (Tz. 2.2) Bezug genommen.

Das FA schloss sich der Auffassung des BP-FA an und erließ unter dem Datum vom 15.7.2019 für die Streitjahre entsprechend geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, über den Gewerbesteuermessbetrag sowie geänderte Umsatzsteuerbescheide. Hierin erhöhte das FA die laufenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bzw. d...

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