Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlustverrechnung von sog. Altverlusten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) § 32d Abs. 4 EStG lässt lediglich die Geltendmachung solcher Umstände zu, die dem Grunde nach in das Verfahren der Abgeltungssteuer fallen; die Berücksichtigung auf den 31.12.2008 festgestellter Altverluste aus Kapitalvermögen lässt § 32d Abs. 4 EStG nicht zu.

2) Verluste, die gemäß § 10d Abs. 2 Satz 4 EStG festgestellt worden sind, verlieren ihre ursprüngliche Herkunft als genau bestimmte Einkunftsart.

3) § 20 Abs. 6 EStG ermöglicht die Verrechnung mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung des § 23 EStG; eine Verrechnung mit negativen Einkünften aus Kapitalvermögen lässt § 20 Abs. 6 EStG nicht zu.

 

Normenkette

EStG § 10d Abs. 2 S. 4, § 20 Abs. 6, § 32d Abs. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.08.2017; Aktenzeichen VIII R 5/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, die auf den 31.12.2008 gesondert festgestellten Verluste der Kläger unmittelbar mit Einkünften aus Kapitalvermögen des Streitjahres außerhalb der sog. Günstigerprüfung gem. § 32 d Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) zu verrechnen.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2009 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus Gewerbetrieb, aus selbstständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 6.134.010 EUR, die sich wie folgt zusammensetzten:

Kapitalerträge

1.529.522

Gewinne aus Veräußerung Kap.Anlagen (ohne Aktien)

4.766.135

Zwischensumme

6.295.678

Verrechnung Verluste priv.Veräßerungsgeschäfte

- 11.671

Verrechnung Vorträge priv.Veräußerungsgeschäfte

- 118.643

Zwischensumme

6.165.364

Negative Kapitalerträge

- 29.752

Verbleibende ausgleichsfähige Verluste

29.752

Zwischensumme

6.135.612

Sparer-Pauschbetrag

1.602

Einkünfte

6.134.010

Die Kläger erläuterten diese Einkünfte im Wesentlichen mit Schreiben vom 17.01.2011 nebst Anlagen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

Der Kläger beantragte laut Anlage KAP die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge und eine Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 war der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG auf 1.995.309 EUR (Kläger) und 2.377.328 EUR (Klägerin) festgestellt worden. Der verbleibende Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers war auf 205.943 EUR festgestellt.

Der Beklagte veranlagte die Kläger mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Einkommensteuerbescheid vom 13.01.2011. Im Rahmen des hiergegen anhängig gemachten Einspruchsverfahrens ergingen unter dem 02.05., 29.06. und 15.07.2011 aus anderen Gründen geänderte Einkommensteuerbescheide, mit denen die Einkommensteuer zuletzt auf 800.859 EUR festgesetzt wurde. Bei den privaten Veräußerungsgeschäften wurden zuletzt Verlustvorträge i. H. v. 205.943 EUR verrechnet. Die Summe und der Gesamtbetrag der Einkünfte beliefen sich danach auf 6.239.432 EUR. Hiervon abgezogen wurde der Verlustvortrag von 4.372.637 EUR.

Mit ihrem Einspruch machten die Kläger geltend, die Verluste aus § 20 seien im Rahmen der Günstigerprüfung unzutreffend behandelt worden. Die Verlustverrechnung i. H. v. 4.372.637 EUR sei nicht unter Berücksichtigung der Schedulenbesteuerung unter Anwendung des linearen Abgeltungssteuertarifs, sondern unter Anwendung der tariflichen Besteuerung erfolgt. Dies führe zu einer erheblichen Schlechterstellung der Verluste nach § 20 EStG im Vergleich zu den Verlusten nach § 23 EStG a. F.. Denn bei gleicher Sachverhaltslage wäre es unter Berücksichtigung von Verlusten nach § 23 EStG a. F. zu einer Verlustverrechnung innerhalb der Schedule „Einkünfte aus Kapitalvermögen” gekommen, mit dem Ergebnis einer um ca. 230.000 EUR geringeren Steuerbelastung. Es komme damit im Ergebnis zu einer verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Besserstellung von Verlusten aus § 23 im Vergleich zu solchen aus § 20 EStG, die ausschließlich im Rahmen der tariflichen Besteuerung Berücksichtigung fänden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg, Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011. Dagegen haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Sie berufen sich auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren und tragen ergänzend im Wesentlichen vor, dass nach § 20 Abs. 6 EStG positive Kapitaleinkünfte i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG vorrangig mit sog. Altverlusten nach § 23 EStG zu verrechnen seien. Die Verrechnung erfolge einschließlich des Jahres 2013 über das Finanzamt und ermögliche auf diese Weise eine zeitlich beschränkte Verlustverrechnung zwischen unterschiedlichen Einkunftsarten, nämlich § 23 a. F (private Veräußerungsgeschäfte) und § 20 EStG (Kapitaleinkünfte), die gem. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG unter der Abgeltungssteuer wegen des Sondersteuersatzes von 25% für Kapitalvermögen anson...

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