Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anerkennung einer 18 Jahre dauernden, nachhaltig Verluste erzielenden Rechtsanwaltstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei den Einkünften aus einem freien Beruf können an das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht keine geringeren Anforderungen gestellt werden als bei den gewerblichen Einkünften. Bei einer Anwaltskanzlei spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Gewinnerzielungsabsicht des Rechtsanwalts. Allerdings spricht es gegen eine Gewinnerzielungsabsicht, wenn ihm hohe andere Einkünfte zustehen und er es trotz ständiger und nachhaltiger Verluste (hier: 92.000 € über 18 Jahre) unterlässt, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebes zu ergreifen. Ungklärte hohe Honoraraußenstände ändern hieran nichts.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 4 S. 2, § 15 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Verluste aus der Tätigkeit des Klägers (Kl.) als Rechtsanwalt steuerlich zu berücksichtigen sind.

Der Kl. ist nach Aktenlage zumindest seit 1990 als Rechtsanwalt selbstständig tätig. Aus seiner Tätigkeit erzielte er seit 1990 folgende Verluste/Gewinne.

1990

./.

28.567 DM

1991

nach

Aktenlage nicht bekannt,

1992

./.

13.207 DM,

1993

./.

18.084 DM,

1994

./.

10.886 DM,

1995

./.

6.263 DM,

1996

+

3.448 DM,

1997

+

464 DM,

1998

+

6.788 DM,

1999

./.

8.511 DM,

2000

./.

14.491 DM,

2001

./.

15.580 DM,

2002

./.

4.326 EUR

2003

./.

8.737 EUR,

2004

./.

5.749 EUR,

2005

./.

7.067 EUR,

2006

./.

5.395 EUR (Einnahme 433,53 EUR; Büromiete 1.261,20 EUR; Telefon und Internetkosten 748,42 EUR sowie weitere Kosten)

2007

./.

3.507 EUR (Einnahme 1.213 EUR; Büromiete 1.261,20 EUR; Telefon- und Internetkosten 753,46 EUR sowie weitere Kosten)

2008

./.

3.537 EUR (Einnahme 694,27 EUR; Büromiete 1.261,20 EUR; Telefon- und Internetkosten 675,54 EUR sowie weitere Kosten).

Die Kl. haben zum 01.12.2005 das Haus O.-Straße 01 in C. angemietet, von wo der Kl. seitdem seine Kanzlei betreibt. In der Zeit davor hatte der Kl. Aufwendungen für die Büromiete in Höhe von ca. 4.600 EUR jährlich.

Der Kl. wurde zusammen mit der Klägerin (Klin.) veranlagt, die in den Streitjahren 2006 bis 2008 folgende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezog:

2006

73.661 EUR

2007

82.615 EUR

2008

82.706 EUR.

Für die Streitjahre 2006 und 2007 setzte das Finanzamt (FA) unter Berücksichtigung der Verluste des Kl. die Einkommensteuer (ESt) zunächst vorläufig fest.

In ihrer ESt-Erklärung 2008 erklärten die Kl. wieder einen Verlust des Kl. aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in Höhe von 3.537 EUR. Mit Verfügung des FA vom 03.08.2009 teilte dieses mit, dass es der Auffassung sei, dass die Verluste ab 2006 steuerlich nicht anerkannt werden könnten, da es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Mit Änderungsbescheiden vom 08.09.2009 wegen ESt 2007 und 2006 und erstmalig mit ESt-Bescheid wegen ESt 2008 berücksichtigte das FA die Verluste aus der Tätigkeit des Kl. bei der Festsetzung nicht mehr.

Die Kl. haben hiergegen mit Schreiben vom 05.10.2009 Einspruch eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14.12.2004 XI R 6/02, BStBl. II 2005, 392) bei einem Rechtsanwalt der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass die selbstständige Tätigkeit regelmäßig nicht dazu bestimmt sei, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen. Die Kl. wiesen darauf hin, dass der Kl. eine hohe Zahl an Mandaten zu bearbeiten habe. Er habe Kredite in Höhe von 100.000 DM bei Banken aufgenommen, um sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Ein Hauptbetätigungsfeld des Kl. sei im Bereich des Steuer- und Steuerstrafrechts; er habe Mandate in ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus übernommen. Die Mandate seien mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

Im Rahmen eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens der Finanzverwaltung seien bei Mandanten zahlreiche Rechnungen des Kl. aufgefunden worden, die aber bisher nicht bezahlt worden seien. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet und abgeschlossen worden. Daher habe der Kl. laufend Außenstände im deutlich fünfstelligen Eurobereich.

Ohne diese Außenstände wären in weiteren Jahren Gewinne angefallen. Die Ermittlungen hätten dazu geführt, dass die Tätigkeit mit diesen Mandaten völlig zusammen gebrochen sei. Der Kl. habe praktisch wieder bei null anfangen müssen.

Hinzu komme, dass die Zahlungsmoral der Schuldner in Deutschland in den vergangenen Jahren schlecht sei. Selbst Schuldtitel brächten keine Einnahmen sondern nur Ausgaben. Der wachsende Konkurrenzdruck lasse es seit Jahren auch nicht zu, erhebliche Vorschüsse zu verlangen.

Das FA hat mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 22.02.2010 den Einspruch der Kl. als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kl. in den Jahren 1990 bis 2008 einen Verlust in Höhe von insgesamt 91.938 EUR erwirtschaftet habe. Das FA ist der Ansicht, dass aus der Art der Bewirtschaftung der Rechtsanwaltskanzlei auf Dauer gesehen kein...

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