rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung eines Gewerbebetriebs gegen Zahlung einer Zeitrente (wiederkehrende Bezüge); Berechnung der Freibetragsgrenze des § 16 Abs. 4 EStG unter Einbeziehung der wiederkehrenden Bezüge

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Werden sämtliche Wirtschaftsgüter des Anlage- und des Umlaufvermögens, der Kundenstamm, die Geschäftsbeziehungen und alle Forderungen eines gewerblichen Betriebs (hier: Zahnwaren - Großhandel) übertragen, ist es für die Bewertung dieses Vorgangs als Betriebsveräußerung unerheblich, dass die Veräußerin von der Erwerberin als Gegenleistung (u.a.) laufende, als Zeitrente bezeichnete monatliche Zahlungen erhält und dass sie diese als nachträgliche gewerbliche Einkünfte i.S. der §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 24 Nr. 2 EStG erzielt.

2) Wird neben wiederkehrenden Bezügen als Gegenleistung für die Übertragung des Betriebs ein fester Entgeltanteil, der auch in der Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten bestehen kann, gezahlt, kann hinsichtlich dieses festen Entgeltanteils bereits im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung ein Veräußerungsgewinn entstehen, obwohl der Veräußerer durch seine Wahl, die wiederkehrenden Bezüge als nachträgliche gewerbliche Einkünfte zu besteuern, nicht alle stillen Reserven gleichzeitig realisiert.

3) Bei der Berechnung der Freibetragsgrenzen gemäß § 16 Abs. 4 EStG sind neben dem festen Entgeltanteil auch die wiederkehrenden Bezüge einzubeziehen; dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass diese gemäß §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 24 Nr. 2 EStG jeweils im Veranlagungszeitraum ihres Zuflusses besteuert werden.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 4, § 24 Nr. 2, § 34 Abs. 1-2, 2 Nr. 1; BewG § 13 Abs. 1, 1 S. 1; EStG § 16 Abs. 1

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob die Klägerin (Klin.) durch die Veräußerung eines Betriebes einen im Veranlagungszeitraum 1994 zu versteuernden Veräußerungsgewinn erzielt hat.

Die im Jahr 1922 geborene Klin. war Inhaberin eines Zahnwaren-Großhandels. Sie veräußerte diesen Großhandel mit notariellem Vertrag vom 27.05.1994 zum 01.05.1994 an die EM GmbH, an der sie nicht beteiligt war. Als Gegenleistung vereinbarten die Vertragsparteien, daß die Klin. ab Mai 1994 für die Dauer von 12 Jahren eine vererbliche Zeitrente in Höhe von monatlich 5.000,– DM erhält, die sich unter bestimmten Umständen bei Erhöhungen des vom Bundesamt für Statistik festgestellten Lebenshaltungskostenindex anpaßt (§ 7 Nr. 1 und 2 des Vertrages). Weiterhin übernahm die Erwerberin gemäß § 2 Nr. 5 des Vertrages sämtliche betrieblichen Verbindlichkeiten neben allen sonstigen Passiva. Die Bilanz des Großhandels weist zum 30.04.1994 ein negatives Eigenkapitalkonto in Höhe von 393.006,54 DM auf.

In der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1994 erklärte die Klin. die monatlich zugeflossenen Zahlungen von 40.000,DM als nachträgliche gewerbliche Einkünfte. Ein Veräußerungsgewinn wurde nicht angegeben.

Der Beklagte (Bekl.) folgte dieser Erklärung nicht in vollem Umfang. Zwar berücksichtigte er bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens die monatlichen Zahlungen antragsgemäß als nachträgliche gewerbliche Einkünfte. Er legte aber außerdem für die Veräußerung des Zahnwaren-Großhandels einen Veräußerungsgewinn nach § 16 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 383.495,– DM zugrunde, den er nach § 34 EStG ermäßigt besteuerte. Die Höhe des Veräußerungsgewinns ermittelte er durch den Ansatz des in der Bilanz aufgeführten negativen Eigenkapitalkontos in Höhe von 393.006,54 DM, das er um eine bisher noch nicht erfaßte – zwischen den Beteiligten unstreitige – Beteiligung der Dental-Liga in Höhe von 9.511,44 DM verminderte. Ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wurde nicht gewährt. Dementsprechend setzte der Bekl. mit Bescheid vom 20.05.1997 die Einkommensteuer der Klin. für den Veranlagungszeitraum 1994 auf 92.877,– DM fest.

Im Rahmen des sich anschließenden Einspruchsverfahrens erging für das Streitjahr am 15.05.1998 ein geänderter Einkommensteuerbescheid, mit dem eine unter den Beteiligten unstreitige Änderung der laufenden Einkünfte aus einem anderen Gewerbebetrieb berücksichtigt wurde. Im übrigen wies der Bekl. den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03.06.1998 als unbegründet zurück.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klin. hinsichtlich des veräußerten Großhandels weiterhin eine erklärungsgemäße Veranlagung für 1994. Sie meint, sie habe ihr Unternehmen nur gegen eine Veräußerungsrente übertragen. Ein darüber hinausgehender Gewinn durch die Übernahme des negativen Kapitalkontos sei nicht erzielt worden. In ihrer Einkommensteuererklärung habe sie sich aufgrund des von den in den Einkommensteuerrichtlinien eingeräumten Wahlrechts der Besteuerung der Rente gegen eine sofortige (ermäßigte) Besteuerung eines Veräußerungsgewinns und für eine Besteuerung der monatlichen Zahlungen als nachträgliche gewerbliche Einkünfte entschieden. Durch dieses Wahlrecht habe der Gesetzgeber eine Trennung des Veräußerers vom Betrieb ohne eine sofortige Besteuerung, d.h. mit einer...

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