Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfassung von Aufwendungen für ein Erststudium nach Schulabschluss als vorweggenommene Werbungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und ein Erststudium stellen weiterhin private Lebensführungskosten dar und sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig, es sei denn, die Ausbildung findet im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt.

2. Selbst wenn die Regelung des § 12 Nr. 5 EStG verfassungsrechtlich umstritten ist, so muss der erkennende Senat gleichwohl auch bei diesbezüglichen Zweifeln den Geltungsanspruch jedes formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Bundesgesetzes grundsätzlich befolgen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt wäre.

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 5; GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 10d Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.09.2011; Aktenzeichen VI R 15/11)

BFH (Urteil vom 15.09.2011; Aktenzeichen VI R 15/11)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für ein Erststudium nach Schulabschluss vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.

Die Klägerin (Klin.) war im Streitjahr als Studentin an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) C. eingeschrieben. Das Studium der Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt europäische Unternehmensführung begann die Klin. am 01.01.2005 im Anschluss an ihr Abitur. Es endete am 31.12.2007 mit dem Ablegen der Diplomprüfung zur Diplomkauffrau. Im Zeitraum vom 01.07.2005 – 30.06.2008 leistete die Klin. monatliche Studiengebühren in Höhe von … EUR. Zusätzlich fiel eine Prüfungsgebühr in Höhe von … EUR an. Grundlage für die Zahlungen war der unter dem 19./24.10.2005 abgeschlossene Studienvertrag, den die Klin. zur Gerichtsakte gereicht hat.

Während des Studiums absolvierte die Klin. zwei von fünf Pflichtpraxisphasen einschließlich der Diplom-Arbeitsphase bei der F.. Bei diesem Unternehmen ist die Klin. seit Februar des folgenden Jahres 2008 nichtselbständig tätig.

Im Einzelnen verrichtete die Klin. folgende Praktika während des Studiums:

Zeitraum

Bemerkung

Vergütung brutto

01.07.2007 – 22.10.2007

Praktikum/Diplom Arbeit bei der F. (Bereich international), C.

1.478 EUR

01.2007 – 03.2007

Praktikum bei der D., S. A. de C. V., Mexiko

keine

05.07.2006 – 29.06.2006

Praktikum bei der K. B. KG, C.

1.502 EUR

09.01.2006 – 31.03.2006

Praktikum/Projektarbeit bei der F.

1.109 EUR

27.06.2005 – 30.09.2005

Praktikum bei der F1. X. X1. AG I.

1.410 EUR

Mit ihrer am 10.03.2008 beim Beklagten (Bekl.) eingegangen Steuererklärung, machte die Klin. für das Streitjahr 2007 ihren Aufwand für das Studium als vorweggenommene Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Als Anlage fügte sie eine Aufstellung bei, in der die einzelnen Beträge spezifiziert wurden. Auf Bl. 40 der beigezogenen Verwaltungsvorgänge wird Bezug genommen. Darüber, dass der Aufwand 10.537 EUR betragen hat, besteht kein Streit.

Der Bekl. setzte mit Bescheid vom 17.04.2008 die Einkommensteuer (ESt) auf … EUR fest. Dabei berücksichtigte er als Werbungskosten lediglich den Pauschbetrag des § 9 a Abs. 1 Nr. 1 a EStG in Höhe von 920 EUR. Stattdessen ließ er die geltend gemachten Aufwendungen zum Abzug als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit dem Höchstbetrag von 4.000 EUR als Berufsausbildungskosten zum Abzug zu. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es wörtlich: „Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium wurden mit dem gesetzlichen Höchstbetrag von 4.000 EUR/pro Person als Sonderausgaben berücksichtigt.”

Mit Schreiben vom 20.07.2009 beantragte die Klin. u. a. die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer für das Streitjahr. Dabei sollten die geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von 10.537,00 EUR berücksichtigt werden. Der Bekl. lehnte dies mit Bescheid vom 29.07.2009 mit der Begründung ab, dass es sich um ein Erststudium handele, bei dem die Aufwendungen nicht als Werbungskosten, sondern nur als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten. Außerdem bat der Bekl. um Vorlage von Unterlagen, aus denen sich der Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf genau ergäbe.

Mit Schreiben vom 18.08.2009, das der Bekl. als Einspruch wertete, hat die Klin. auf mehrere beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren zur Abgrenzung von Kosten eines Studiums als Sonderausgaben bzw. Werbungskosten hingewiesen. Sie hat das Studium und die Pflichttpraxisphasen erläutert und mitgeteilt, dass nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung die Pflichtpraxisphasen bereits Arbeitsverhältnisse nach dem Status eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers begründeten. Diese Beurteilung bestätige den Zusammenhang zwischen Studium, Praktikum und dem anschließenden steuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis und begründe desweiteren die Abzugsfähigkeit der Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten. Als zusätzliches Indiz gelte, dass diese Praxisp...

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