Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagung trotz langjähriger räumlicher Trennung der Ehegatten

 

Leitsatz (redaktionell)

Leben Ehegatten zwar für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt, halten sie aber die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, kann dies dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist.

 

Normenkette

EStG § 26

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte eine Zusammenveranlagung der Kläger durchzuführen hat.

Die Kläger sind seit dem xx.xx.1991 verheiratet und haben einen am xx.xx.1991 geborenen Sohn. Die Klägerin (geb. 1959) erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Kinderärztin, der Kläger (geb. 1940) erzielt sonstige Einkünfte aus einer Rente. Darüber hinaus erzielen die Kläger Einkünfte aus der gemeinschaftlichen Vermietung eines 2-Familien-Hauses in C.

Die gemeinsame Steuererklärung der Kläger für das Streitjahr 2012 ging am 18.02.2014 beim Beklagten ein. Der Beklagte führte die Zusammenveranlagung für das Streitjahr 2012 mit gem. § 164 Abs. 2 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Einkommensteuerbescheid vom 21.03.2014 zunächst durch.

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte fest, dass die Kläger zunächst mit ihrem gemeinsamen Sohn in einem dem Kläger gehörenden Einfamilienhaus in C, N-Straße … gelebt hatten. Zum 01.08.2001 sei die Klägerin zusammen mit dem Sohn aus dem Einfamilienhaus in C ausgezogen und habe dann zunächst eine Mietwohnung und später eine Eigentumswohnung in H bezogen.

Der Beklagte vertrat deshalb die Auffassung, dass die Eheleute dauerhaft getrennt lebten und demnach die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht erfüllt seien. Mit Bescheiden vom 08.04.2016 führte er Einzelveranlagungen der Kläger durch.

Hiergegen legten die Kläger am 06.05.2016 Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Kläger zwar räumlich, nicht aber persönlich und geistig getrennt lebten. Die Kläger telefonierten täglich mindestens einmal und träfen sich auch an den Abenden regelmäßig abwechselnd im Haus des Klägers bzw. in der Wohnung der Klägerin. An den Wochenenden machten die Kläger gemeinsame Ausflüge, insbesondere in Form von Fahrradtouren und Spaziergängen. Es fänden auch regelmäßig gemeinsame sonntägliche Kirchenbesuche statt. Es habe sich als belebend für die Ehe herausgestellt, wenn die Klägerin nach einem anstrengenden Arbeitstag mit der Wohnung in H einen Rückzugsort habe, an dem sie sich vom Alltagsstress entspannen könne. Weder die Klägerin noch der Kläger hätten in all den Jahren versucht, eine Bindung zu einem anderen Partner aufzubauen. Da beide Eheleute über genug Einkommen und Vermögen verfügten, bestreite grundsätzlich jeder von seinem eigenen Einkommen seinen Lebensunterhalt. Gemeinsame Urlaube, Urlaube und sonstige Kosten des Sohnes, Einkäufe und Theaterbesuche würden von beiden Eheleuten zusammen getragen, ein Ausgleich untereinander erfolge unkompliziert. Hierin unterschieden sich die Kläger aber nicht von anderen – auch räumlich zusammen lebenden – Paaren. In der heutigen Zeit der „Doppelverdienerehen” sei diese Art des wirtschaftlichen Zusammenlebens häufig vorzufinden. Insbesondere beantragten viele räumlich zusammenlebende Eheleute eine Berechnung von ihrem Steuerberater, in welchem Umfang einer Steuererstattung oder -nachzahlung auf den einen oder den anderen Ehegatten entfalle.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 06.07.2015 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Aufgrund der Tatsache, dass die Kläger seit vielen Jahren räumlich getrennt lebten und die Klägerin im gemeinsamen Haus nach einem anstrengenden Arbeitstag nicht entspannen könne, könne nicht mehr von einer intakten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im steuerlichen Sinne ausgegangen werden. Tägliche Telefonate und gelegentliche gemeinsame Abendessen oder gegenseitige Hilfe im Haushalt deuteten zwar auf ein gutes freundschaftliches Verhältnis der Kläger hin, genügten aber nicht für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Auch der Umstand, dass die Eheleute im Wesentlichen getrennt wirtschafteten, spreche gegen den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft.

Mit der am 03.08.2015 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie tragen ergänzend vor, dass sich die Formen des familiären Zusammenlebens seit den 1960er Jahren weiterentwickelt und verändert hätten. Insbesondere hätten sich in diesem Zusammenhang auch eheliche „Living-apart-together” (LAT)-Beziehungen entwickelt. Hierbei handele es sich um Paare, die getrennt wohnten, aber zusammen lebten. Diese Beziehungen seien dadurch gekennzeichnet, dass sie die Nachteile eines Zusammenwohnens (Freiheitsverlust, Alltag, Routine) vermeiden möchten, andererseits aber die Vorteile einer festen Partnerschaft (Zuneigung, Verlässlichkeit) nicht m...

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