Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Duldungsverpflichtung eines Minderjähriger bei Nutzung seines Kontos durch ein Elternteil

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Minderjähriger ist im Rahmen einer Duldungsverpflichtung nicht verpflichtet, Wertersatz für Steuerrückstände eines Elternteils zu leisten, wenn das Elternteil das Konto des Minderjährigen für den eigenen betrieblichen Zahlungsverkehr genutzt hat.

 

Normenkette

AnfG §§ 3-4; BGB § 1629; AO § 191

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und in welcher Höhe eine Duldungsverpflichtung der Klägerin besteht.

Im Dezember 2009 – die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt (geb. am xx.xx.1998) – stimmten die Eltern der Klägerin – als ihre gesetzlichen Vertreter – einer Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und der A-Bank zu und eröffneten ein Girokonto für die Klägerin (Kontonummer xxx). Die Eltern gaben an, dass sie jeweils allein verfügungsberechtigt sein sollten und auch die Klägerin ohne ihre gesonderte Zustimmung Verfügungen vornehmen dürfte. Außerdem wünschten sie die Aushändigung einer Debitkarte, um Kontoauszugsdrucker und Geldautomaten nutzen zu können. Dementsprechend gaben sie an, dass die Kontoauszüge nicht zugeschickt, sondern am Kontoauszugsdrucker abgeholt werden sollten. Die Klägerin selbst unterschrieb zum einen auf einer Unterschriftskarte zum Girovertrag und zum anderen, dass sie den Umfang der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter zum Verfügungsrecht zur Kenntnis genommen habe.

In dem Zeitraum 2013 bis 2015 war die Bankkarte ausschließlich im Besitz des Vaters der Klägerin. Dieser druckte auch die entsprechenden Kontoauszüge aus. Nach einer in den Akten des Beklagten befindlichen Zusammenstellung gingen auf dem Girokonto der Klägerin Zahlungen in 2013 i. H. v. rd. 25.000 €, in 2014 i. H. v. rd. 32.000 € und in 2015 i. H. v. rd. 34.000 € (insgesamt rd. 91.000 €) ein. Zahlungsleistende war weit überwiegend die „B-GmbH”, eine Kundin des in der Baubrache tätigen Vaters der Klägerin. Bei den in diesem Zeitraum zulasten des Kontos verbuchten Beträgen handelt es sich unter anderem um Barauszahlungen, Überweisungen an den Bruder der Klägerin (Verwendungszweck: „Liebe Grüße Papa”) und Mietzahlungen.

Im April 2016 stellte der Beklagte fest, dass der Vater Steuer- und Abgabenrückstände i. H. v. rd. 12.000 € habe. Vor diesem Hintergrund regte eine Mitarbeiterin des Beklagten eine Prüfung an, ob die Klägerin als Duldungsverpflichtete in Betracht komme. Nach einem handschriftlichen Vermerk entschloss sich der Beklagte, zunächst bis zum xxx zu warten. Die Klägerin werde dann 18 Jahre alt.

Sodann versandte der Beklagte im Dezember 2016 eine Anhörung an die Klägerin. Ihr Vater sei Verfügungsberechtigter über ihr Girokonto bei der A-Bank und habe in nicht unerheblicher Höhe Steuerschulden. Die Vollstreckung in sein Vermögen sei bislang erfolglos geblieben. Daher werde derzeit geprüft, ob die Klägerin die Vollstreckung in ihr Girokonto wegen der Steuerschulden ihres Vaters zu dulden habe. Nach Aktenlage reagierte die Klägerin nicht auf dieses Schreiben.

Einen Monat später – im Januar 2017 – erließ der Beklagte einen Duldungsbescheid. Die Klägerin sei verpflichtet, einen Betrag i. H. v. rd. 23.200 € zu zahlen. Sollte sie diesen Betrag nicht bis zum Fälligkeitstag – im Februar 2017 – zahlen, seien Säumniszuschläge zu entrichten. Außerdem sei sie verpflichtet, weitere rd. 2.300 € zu zahlen. Da dieser Betrag jedoch noch nicht vollstreckbar sei, werde sie zu gegebener Zeit gesondert zur Zahlung aufgefordert. Zur Begründung trug der Beklagte vor, dass der Vollstreckungsschuldner – ihr Vater – Steuer- und Abgabenrückstände nicht getilgt habe und die in 2012 bis 2015 ausgebrachten Pfändungen nicht erfolgreich gewesen seien. Die Klägerin habe bereits während dieser Vollstreckungsmaßnahmen das Girokonto bei der A-Bank geführt. Der Vollstreckungsschuldner habe seine gewerbliche Tätigkeit über dieses Konto abgewickelt. Zur rechtlichen Begründung verwies der Beklagte auf § 3 und § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG). Die Voraussetzungen des § 3 AnfG lägen insbesondere deswegen vor, da die Klägerin Kenntnis von den Steuerrückständen ihres Vaters gehabt habe. Die Pfändungen des Beklagten hätten stattgefunden, als die Klägerin im Haushalt ihrer Eltern lebte. Aus der Höhe der ihr bekannten Steuerrückstände folge, dass sie wusste, dass ihr Vater zahlungsunfähig war oder dessen Zahlungsunfähigkeit drohte. Jedenfalls sei ihr die Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Vaters gemäß § 166 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen. Daneben seien auch die Voraussetzungen des § 4 AnfG erfüllt. Die Gutschriften auf dem Girokonto seien Leistungen des Vollstreckungsschuldners, die in den letzten vier Jahren erfolgt seien. Da es sich um anfechtbare Geldzahlungen handle, beschränke sich die Rechtsfolge der Anfechtung nicht auf die Duldung der Zwangsvollstreckung in den in anfechtbarer Weise erworbenen Vermögensgegenstand – das Guthaben – (Primäranspruch), sondern habe sich gem...

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