Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Betriebsübertragung, Betriebsaufgabe, Nießbrauchsvorbehalt an Grundbesitz

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine unentgeltliche Betriebsübertragung i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG ist nicht gegeben, wenn der bisherige Inhaber zunächst sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen unentgeltlich auf einen Erwerber überträgt, sie sodann aber zurückpachtet oder auf sonstige Weise nutzt und so die bisherige Tätigkeit fortführt.

2) Der Vorbehalt des Nießbrauchs an einem Grundstück stellt keine Gegenleistung für die übertragene Vermögenssubstanz dar.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 3, § 6 Abs. 3 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.01.2017; Aktenzeichen X R 59/14)

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Einkommensteuer(ESt-)Festsetzung für 2005, ob die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung gemäß § 6 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegen.

Die Klägerin ist seit dem 17.02.2005 verwitwet. Ihr verstorbener Ehemann (EM) war (Allein-)Eigentümer des Grundstücks Y.-Straße 01 in H. In dem auf dem Grundstück stehenden Gebäude befinden sich eine Gaststätte, die EM bis 1967 selbst betrieb, sowie vermietete Wohnungen und Büros. EM behandelte das Grundstück und Gebäude in vollem Umfang als Betriebsvermögen. Ab 1967 verpachtete er die Gaststätte an wechselnde Pächter und erklärte die aus der (Betriebs-)Verpachtung bzw. Vermietung erzielten Einkünfte weiterhin als solche aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Hinsichtlich des Grundstücks schlossen EM und sein Sohn W. X. jun. (W) unter Beteiligung der Klägerin am 10.03.1990 einen notariell beurkundeten Übertragungsvertrag, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Nach § 2 des Vertrags übertrug EM den Grundbesitz Y.-Straße 01, H. – ohne Vereinbarung eines Entgelts (vgl. § 7 des Vertrags) – auf W, jedoch sollte nach § 3 des Vertrags die Auflassung erst nach dem Tod des EM und der Klägerin erfolgen. Zur Sicherung des Anspruchs wurde dem W die Eintragung einer Auflassungsvormerkung bewilligt (§ 6 des Vertrags). Nach § 9 des Vertrags sollten Besitz, Nutzen und Lasten des übertragenen Grundbesitzes auch erst nach dem Tod des EM und der Klägerin auf den W übergehen. Soweit der EM vor der Klägerin versterben sollte, stand der Klägerin nach § 10 des Vertrags bis zu ihrem Tod ein uneingeschränktes, rechnungsfreies Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz zu. Steuerliche Folgerungen wurden aus diesem Vertrag nicht gezogen. EM erklärte im Rahmen seiner ESt-Erklärungen bezüglich der (Betriebs-)Verpachtung bzw. Vermietung der sonstigen Räumlichkeiten weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Im Jahr 1998 setzte EM die Klägerin testamentarisch zu seiner Alleinerbin ein. EM verstarb – wie bereits ausgeführt – am 17.02.2005.

Die Klägerin und W ließen am 04.05.2005 unter Bezugnahme auf den Übertragungsvertrag vom 10.03.1990 folgende (auszugsweisen) Erklärungen notariell beurkunden: „…

§ 1 Vorbemerkungen und Grundbuchbestand

Die Klägerin und W sind übereingekommen, dass die Auflassung des Grundbesitzes an W und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch bereits zu Lebzeiten der Klägerin erfolgen soll, und zwar unter gleichzeitiger Eintragung eines Nießbrauchsrechts für diese.

§ 2 Auflassung

Aufgrund der zu § 3 des vorgenannten Übertragungsvertrags erteilten Auflassungsvollmacht erklärt W mit Zustimmung der Klägerin die Auflassung nunmehr wie folgt: Es besteht Einigkeit darüber, dass der im Grundbuch von H. Blatt … gebuchte Grundbesitz von dem verstorbenen Vater des W nunmehr auf W als Alleineigentümer übergehen soll. …

§ 3 Nießbrauchsrecht

Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen in § 10 des Übertragungsvertrags bewilligen W und die Klägerin die Eintragung des Nießbrauchsrechts zugunsten der Klägerin … mit der Maßgabe, dass zur Löschung der Nachweis des Todes der Berechtigten genüge. …”

Eine Regelung zum Übergang von Nutzen und Lasten enthält der Vertrag vom 04.05.2005, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, nicht. Die Eigentumsumschreibung und das Nießbrauchsrecht sind am 27.10.2005 im Grundbuch eingetragen worden.

Die Klägerin reichte für sich und den verstorbenen EM am 09.06.2006 die ESt-Erklärung für 2005 bei dem Beklagten ein, in der sie bezüglich der Verpachtung der Gaststätte und der Vermietung der sonstigen Räumlichkeiten für das gesamte Jahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte. Sie reichte insoweit eine Bilanz zum 28.02.2005 für EM ein, aus der sich ein Jahresüberschuss in Höhe von 13.681,19 EUR ergab. Das Gebäude Y.-Straße 01, H., war darin mit einem Wert von 1,– EUR ausgewiesen. Die Klägerin reichte zudem eine Eröffnungsbilanz auf den 01.03.2005 ein, in der das Gebäude ebenfalls mit 1,– EUR ausgewiesen ist, und eine Bilanz zum 31.12.2005, aus der sich ein Jahresüberschuss in Höhe von 58.379,89 EUR ergab. Auf der Anlage GSE erklärte sie insoweit für EM Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13.681 EUR und für sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 58.380 EUR.

Der Beklagte erließ unter dem 27.09.2006 den E...

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