Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für bis zu zwei Kinder 1996 verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Höhe des Kindergeldes ab dem 01.01.1996 mit jeweils 200 DM für das erste und zweite Kind ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

EStG § 66 Abs. 1, § 62

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 04.08.2003; Aktenzeichen 2 BvR 1537/02)

BFH (Urteil vom 13.08.2002; Aktenzeichen VIII R 80/97)

 

Gründe

Streitig ist, ob die Höhe des Kindergeldes ab dem 01.01.1996 mit jeweils 200,00 DM für das erste und zweite Kind verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

Die Klägerin (Klin.) wird mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Das zu versteuernde Einkommen betrug im Jahr 1996 128.486,00 DM. Für die beiden 1981 und 1984 geborenen Kinder hat ihr der Beklagte (Bekl.) die Zahlung von Kindergeld zuletzt mit Bescheid vom 18.10.1995 bewilligt. Ab dem 01.01.1996 wird das Kindergeld von ihrem Arbeitgeber ausgezahlt. Für jedes der beiden Kinder erhält sie monatlich 200,00 DM, zusammen also 400,00 DM.

Am 06.03.1996 erhob die Klin. Einspruch. Sie machte geltend, daß die Höhe des Kindergeldes nicht verfassungsgemäß sei. In seiner Entscheidung vom 29.05.1990 habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt, daß das Existenzminimum eines Kindes steuerfrei zu belassen sei (vgl. Beschluß vom 29.05.1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BStBl. II 1990, 653). Die derzeitige Höhe des monatlich gezahlten Kindergeldes entspreche einem monatlichen Kinderfreibetrag von nur 522,00 DM. Dieser Betrag decke das Existenzminimum eines Kindes nicht ab.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klin. Klage erhoben. Sie macht folgendes geltend:

Der Gesetzgeber sei aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, die Aufwendungen, die durch das Aufziehen von Kindern entstünden, in Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung auszunehmen. In § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) sei – ein einheitlicher Kinderfreibetrag vorgesehen, mit dem die mit der Aufziehung von Kindern verbundenen Kosten berücksichtigt würden. Nach dieser Vorschrift belaufe sich dieser Betrag bei zusammen veranlagten Ehegatten auf jährlich 6.264,00 DM, d. h. umgerechnet monatlich auf 522,00 DM. Realitätsgerecht sei aber ein Betrag von 9.072,00 DM im Jahr, d. h. umgerechnet pro Monat 756,00 DM. Dieser Betrag leite sich ab aus dem „Bericht der Bundesregierung vom 02.02.1995 über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien vom Jahr 1996”– im folgenden: Bericht – (Bundestagsdrucksache – BT-Drucks. 13/381). Außerdem beruft sich die Klin. in diesem Zusammenhang auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auch in weiten Teilen der Literatur werde die Auffassung vertreten, daß die derzeitige nach dem Gesetz vorausgesetzte Höhe des Existenzminimums unzureichend sei.

Zu dem Jahresbetrag von 9.072,00 DM kommt die Klin. durch die folgenden Überlegungen:

Hinsichtlich der Höhe des für ein Kind maßgeblichen Existenzminimuns sei von dem Sozialhilfebedarf auszugehen. Hierbei seien der Regelsatz, Einmalbeihilfen (z. B. für größere Kleidungsstücke, Hausrat, Instandhaltung, langlebige Gebrauchsgüter), Mietaufwendungen sowie Heiz- und Warmwasserkosten zu berücksichtigen. Allein aus diesen vier Komponenten errechne sich ein Mindestbedarf von 706,00 DM pro Kind und Monat. In diesem Zusammenhang verweist sie auf ihre zusammen mit der Klageschrift in einer Anlage vorgelegten Berechnungen, nach denen je Kind ein durchschnittlicher Regelsatz von monatlich 360,00 DM anzusetzen sei, für Einmalbeihilfen monatlich 94,00 DM, für Miete monatlich 202,00 DM und für Heizung und Warmwasser monatlich 51,00 DM. Bei dem Regelsatz von 360,00 DM handele es sich um einen Durchschnittswert, der daran orientiert sei, daß je nach Alter eines Kindes Zuschläge zu dem Eckregelsatz eines erwachsenen Haushaltsvorstandes vorgesehen seien. Hierbei seien – im Unterschied zu den Angaben im Bericht – auch Kinder über 18 Jahren zu berücksichtigen. Anzusetzen sei aus diesem Grund für ein Kind ein durchschnittlicher Bedarf von 68,5 v. H. des Eckregelsatzes und nicht – wie im Bericht – von nur 64,72 v. H.. Außerdem seien in ihren Berechnungen die Wohnkosten für Miete und Heizung im Gegensatz zu den Angaben in dem Bericht in realistischer Höhe angesetzt.

Der auf dieser Weise ermittelte Mindestbetrag von 706,00 DM pro Kind und Monat liege bereits um 35,2 v. H. über dem Wert von 522,00 DM, der nach der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung monatlich als Kinderfreibetrag berücksichtigt werde. Die Differenz sei so erheblich, daß ein Spielraum für Unsicherheiten, der verfassungsrechtlich noch zu tolerieren sei, deutlich überschritten sei.

Hinzu komme noch, daß für ein Kind zusätzlich Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen seien. Unter Hinweis auf ihre mit der Klageschrift eingereichte Berechnung kommt die Klin. auf einen Mindestbetrag von 470,00 DM pro Kind und Jahr.

Außerdem sei zu berücksichtigen, daß bei Sozialhilfeempfängern weitere geldwerte Vergünstigungen gewährt...

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