Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.11.2000; Aktenzeichen VI R 184/98)

 

Tenor

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 04.09.1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung wird der Beklagte verpflichtet, Kindergeld ab dem 01.01.1996 zu gewähren.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Gründe

Streitig ist die Zahlung von Kindergeld.

Der am 24.09.1969 geborene Sohn … des Klägers nahm aufgrund eines Bewilligungsbescheides des Arbeitsamtes … vom 16.01.1996 in der Zeit vom 03.01.1996 bis zum 22.12.1997 an einer vom Arbeitsamt geförderten beruflichen Bildungsmaßnahme (Lehrgang für Industrieelektronik) in … teil. Die Lehrgangsgebühren übernahm das Arbeitsamt. In einer Anlage zum Bescheid berechnete das Arbeitsamt, weil der Sohn … die angebotene Unterkunft in … und die dortige Verpflegung nicht in Anspruch nehmen wollte, die diesem zu erstattenden Fahrkosten pro Unterrichtstag mit 0,20 DM für jeden gefahrenen Kilometer. Daneben erhielt er aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) Leistungen von monatlich 1.050,– DM (Bescheid vom 23.01.1996).

Mit Antrag vom 30.07.1996 begehrte der Kläger Zahlung von Kindergeld mit der Begründung, die Jahreseinkünfte des Sohnes betrügen unter Anrechnung von Werbungskosten (u. a. Fahrtaufwendungen von 8.400,– DM) sowie unter Berücksichtigung von erstatteten Fahrtkosten durch das Arbeitsamt von 4.320,– DM in 1996 insgesamt nur ca. 8.120,– DM. Das Arbeitsamt … lehnte den Antrag durch Bescheid vom 04.09.1996 ab und gab an, die Bezüge des Kindes überschritten die Grenze des § 323 Abs. 4 Sätze 2 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG). Das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Der Kläger meint, die Bezüge seines Sohnes … hätten nach Kürzung wegen Fehltagen von jeweils 35,– DM/Tag insgesamt 12.460,– DM (ESF-Mittel) betragen. Hiervon seien die Fahrtaufwendungen (50 km × 0,70 DM × 240 Tage) mit 8.400,– DM abzuziehen und die Erstattungen von 4.320,– DM hinzuzurechnen. Hiernach ergebe sich ein Betrag von 8.340,– DM, der Anspruch auf Kindergeldzahlung sei daher begründet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 04.09.1996 idF der Einspruchsentscheidung Kindergeld vom 01.01.1996 an zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die dem Kind … aus ESF-Mitteln gezahlten Leistungen seien als Zuschuß für dessen Lebensunterhalt gewährt worden. Sie dienten zur Deckung der Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausbildung und seien gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Bezüge bei der Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Höhe dieser Bezüge sei lediglich eine Kostenpauschale von 360,– DM im Kalenderjahr abzuziehen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn höhere Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Zufluß der Bezüge ständen, nachgewiesen würden. Die geltend gemachten Fahrtaufwendungen stünden jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Zufluß der Bezüge. Im übrigen seien sie auch nicht nach objektiven Merkmalen leicht und eindeutig von privat veranlaßten Aufwendungen zu trennen (§ 12 EStG).

Die nach dem Bewilligungsbescheid vom 23.01.1996 zu zahlenden Bezüge hätten 12.565,– DM betragen. Die Einkommensgrenze von 12.000,– DM sei damit überschritten, denn hiervon sei lediglich die Kostenpauschale abzuziehen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).

Die Klage ist begründet.

Ein Anspruch auf Kindergeld gem. § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) besteht für solche Kinder, die – wie im Streitfall das Kind … – für einen Beruf ausgebildet werden und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nur dann, wenn sie Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000,– DM im Kalenderjahr haben (§§ 63 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 4 EStG). Bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge sind Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erzielung der Einnahmen stehen, zu berücksichtigen.

Das Kind … erhielt aufgrund der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme nach dem Arbeitsförderungsgesetz (hier; ESF-Mittel) Leistungen für seinen Lebensunterhalt iHv täglich 35,– DM in Form von Ausbildungshilfen. Ob es sich hierbei um Einkünfte oder um Bezüge iSd Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG handelt, kann der Senat dahinstehen lassen. In beiden Fällen hätte der Beklagte zu Unrecht die Zahlung des Kindergeldes ab Januar 1996 verweigert. Denn er hätte die Einnahmen des Kindes um die streitigen Fahrtaufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kürzen müssen. Nach den vom Kläg...

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