Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage des Rechts auf Vorsteuerabzug im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei richtlinienkonformer Auslegung darf als Vorsteuer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur eine für den berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden. Demnach erstreckt sich das Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist. Dies betrifft insbesondere i.S.v. § 14c Abs. 1 und 2 UStG ausgewiesene Steuern.

2. Ein unberechtigter Steuerausweis i.S.d. § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG ist gegeben, wenn der Unternehmer nicht willens und in der Lage ist, die in der ausgestellten Rechnung beschriebene Leistung zu erbringen, er aber mit der Rechnung gleichwohl den Schein einer Lieferung oder Leistung erwecken will.

 

Normenkette

UStG §§ 14, 14c Abs. 1-2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus dem Kauf von Blockheizkraftwerken im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems im Rahmen dessen die Kaufpreise vollständig bezahlt wurden, Lieferungen aber ausblieben.

Der Kläger schloss im Streitjahr 2010 drei Kaufverträge über Blockheizkraftwerke mit der Firma X GmbH in O (im Folgenden: X) ab. Die Blockheizkraftwerke wurden von der X wie folgt berechnet und vom Kläger wie folgt bezahlt:

Rechnungsdatum

Netto-Rechnungsbetrag

Ausgewiesene Umsatzsteuer

Brutto-Rechnungsbetrag

Zahlungszeitpunkt

21.5.2010

37.500 EUR

7.125 EUR

44.625 EUR

31.5.2010

24.8.2010

56.250 EUR

10.687,50 EUR

66.937,50 EUR

24.8.2010

27.10.2010

37.500 EUR

7.125 EUR

44.625 EUR

25.10.2010

Aus den Rechnungen ist erkennbar, dass die Rechnungsbeträge vor Lieferausführung angefordert wurden.

Der Kläger schloss zeitnah mit den Bestellungen der Blockheizkraftwerke mit einer der Verkäuferin nahestehenden Gesellschaft (Y) einen „Verwaltungsvertrag”, erteilte eine „Verwaltervollmacht” und mietete von der Y einen Stellplatz für die noch zu liefernden Blockheizkraftwerke an. Ausweislich des Verwaltungsvertrags, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, war die Y beauftragt und bevollmächtigt, die erzeugte Energie anzubieten und die Forderungen einzuziehen. Die X hatte damit geworben, die Blockheizkraftwerke von den Erwerbern zurückzupachten zu einem festen Pachtzins für 20 Jahre und die Kraftwerke auf ihre Kosten zu betreiben. Die Pachtverträge mit dem Kläger befinden sich nicht bei den Akten. Die X rechnete die Pacht im Wege der Gutschrift mit offenem Steuerausweis zu 19 % mit den Erwerbern ab.

Nach zahlreichen Medienberichten über die X und ihr nahestehende Gesellschaften waren die verkauften Blockheizkraftwerke technisch gar nicht im Stande, die versprochene Energieleistung zu erbringen. Die Pachtzahlungen an die Eigentümer/Erwerber wurden im Rahmen eines Schneeballsystems durch Kaufpreiszahlungen neuer Anleger gespeist. Die X hatte von mehr als 1.400 Käufern mehr als 62 Millionen Euro eingenommen. Im Zeitpunkt des Beginns der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der X war noch kein Prototyp eines Blockheizkraftwerks hergestellt. Das Landgericht O kam zu der Überzeugung, dass die X von Anfang an ein Schneeballsystem betrieben hatte mit dem Ziel, neue Käufer zu gewinnen und aus den vereinnahmten Kaufpreisen die Garantiezahlungen zu leisten. Die Entwicklung und der Betrieb von Blockheizkraftwerken war von den Verantwortlichen zur Überzeugung des Landgerichts nie beabsichtigt gewesen. Die Verantwortlichen der X wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Der Kläger erklärte in seinen USt-Voranmeldungen für das Streitjahr Folgendes:

Zeitraum

Nettoumsatz 19%

Vorsteuer

USt

UVZ 6/2010

0

7.125 EUR

– 7.125 EUR

UVZ 7/2010

0

0

0

UVZ 8/2010

1.890 EUR

10.794,66 EUR

– 10.435,56 EUR

UVZ 9/2010

0

4,75 EUR

– 4,75 EUR

UVZ 10/2010

3.930 EUR

7.129,75 EUR

– 6.383,05 EUR

UVZ 11/2010

7.250 EUR

0

1.377,50 EUR

Die vom Kläger erklärten Umsätze bestanden aus Pachtabrechnungen und Eigenprovisionen des Klägers für die Vermittlung des 2. und 3. Blockheizkraftwerks.

Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung für die Zeiträume 6/2010-12/2010 änderte der Beklagte die Umsatzsteuer – Voranmeldungsbescheide des Klägers, indem die Vorsteuern aus den Vorausrechnungen der X nicht mehr anerkannt wurden. Geringe Vorsteuern anderer Unternehmer und die vom Kläger selbst erklärten Umsätze ließ der Beklagte unberührt. Gegen die geänderten Umsatzsteuer – Voranmeldungsbescheide legte der Kläger jeweils fristgemäß Einsprüche ein.

Während des Einspruchsverfahrens, am 7.9.2011, erließ der Beklagte einen Jahresbescheid für das Streitjahr 2010, mit dem die Umsatzsteuer auf 2.366,64 EUR festgesetzt wurde. Der Jahresbescheid wurde Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Am 19.9.2011 reichte der Kläger eine Umsatzsteuer – Jahreserklärung für das Streitjahr beim Beklagten ein, mit der er Umsätze zu 19 % i. H. v. 13.071 EUR (Umsatzsteuer: 2.483,49 EUR), Vorsteuern i.H.v. 25.069,97 EUR und einen Erstattungsbetrag i.H.v. 22....

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