Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerungsrecht für in der Schweiz erzielten Arbeitslohn eines in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen, der eine Zweitwohnung in Frankreich unterhält

 

Leitsatz (redaktionell)

1) In Frankreich besteuerte und in der Schweiz unversteuerte Einkünfte eines Steuerpflichtigen mit inländischem Wohnsitz aus der Tätigkeit als Altenpfleger in einem Altenheim in der Schweiz, anlässlich der er in Frankreich eine Zweitwohnung unterhält, von der aus er arbeitstäglich zu der Arbeitsstätte pendelt, unterliegen in Deutschland nicht der Besteuerung.

2) Die Voraussetzungen der Rückfallklausel nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG liegen nicht vor.

 

Normenkette

EStG § 50d Abs. 9; DBA Schweiz Art. 15, 24; EStG § 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.06.2022; Aktenzeichen I R 30/18)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Arbeitslohn, den der Kläger in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) für eine in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit erhalten hat, in Deutschland einkommensteuerpflichtig ist.

Die Kläger sind Eheleute und werden in den Streitjahren mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Ehemann) und sonstigen Einkünften (Ehefrau) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Während des Streitzeitraums lebten die Kläger zusammen in einer gemeinsamen Wohnung in A-Stadt (Deutschland). Dort befand sich auch – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen.

Der Kläger ist beruflich als Altenpfleger tätig und arbeitete in den Streitjahren in Pflegeheimen in der Schweiz. Seit dem 01.09.2012 ist er in dem Altenheim A in B-Stadt (Schweiz) tätig. Anlässlich dieser Tätigkeit mietete und bezog er im nur wenige Kilometer entfernten Ort C-Stadt (Frankreich) eine Zweitwohnung, von der aus er arbeitstäglich zu seiner Arbeitsstätte in B-Stadt pendelte. Der auf die Tätigkeit in der Schweiz entfallende Arbeitslohn wurde in Frankreich besteuert. Die Schweiz besteuerte den Arbeitslohn nicht.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre behandelten die Kläger den Arbeitslohn als in Deutschland steuerfrei. Der Beklagte folgte dem nicht, sondern bezog den Arbeitslohn mit Einkommensteuerbescheiden vom 28.01.2014 (2012) und 06.07.2015 (2013) in die Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzungen der Streitjahre ein. Gegen diese Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 05.02.2014, zugegangen am 06.02.2014 (Einkommensteuerbescheid für 2012), und vom 07.07.2015, zugegangen am 08.07.2015 (Einkommensteuerbescheid 2013), jeweils Einspruch.

Zur Begründung führten sie an, dass der Kläger seit dem 01.09.2012 in B-Stadt gearbeitet und in Frankreich gewohnt habe. Der Arbeitslohn sei in Frankreich steuerpflichtig. Diese Rechtsfolge habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Beschluss vom 04.11.2014 (Az. I R 19/13) bestätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Kläger vom 07.07.2015 und 07.03.2016 Bezug genommen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2017 wies der Beklagte die Einsprüche vom 28.01.2014 und 07.07.2015 als unbegründet zurück.

Der Kläger sei aufgrund seines inländischen Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Sämtliche Einkünfte unterlägen daher gemäß § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) grundsätzlich der Besteuerung.

Hinsichtlich der Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in der Schweiz sei das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz zu prüfen. Das Abkommen sei anwendbar, da der Kläger unstreitig in Deutschland ansässig sei. Gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 1 dieses DBA stehe der Schweiz für den streitgegenständlichen Arbeitslohn ein Besteuerungsrecht zu. Deutschland als Ansässigkeitsstaat vermeide die Doppelbesteuerung durch Freistellung der Einkünfte. Diese Freistellung sei dem Kläger jedoch gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG wieder zu versagen. Nach dieser Vorschrift sei eine Freistellung von solchen Einkünften abzulehnen, die im anderen Staat nach dessen innerstaatlicher Rechtslage zwar von der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst werden, jedoch bei fehlender Ansässigkeit unversteuert blieben.

Eine solche Rechtslage sei im Streitfall gegeben. Das DBA zwischen der Schweiz und Frankreich – dem Zweitwohnsitzstaat – sei nach deutschen Maßstäben Teil des in der Schweiz geltenden innerstaatlichen Rechts. Dass die Grenzgänger-Regelung des schweizerisch-französischen DBA selbst keinen Ausschluss für so genannte Doppelansässigkeitsfälle enthalte und daher eine grundsätzliche Anwendbarkeit auch auf unbeschränkt Steuerpflichtige ermögliche, könne hierfür unbeachtlich bleiben. Denn der Sinn und Zweck dieser Vorschrift verlange im Grundsatz eine tägliche Rückkehr in den Ansässigkeitsstaat, was prinzipiell die unbeschränkte Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat ausschließe, so dass nur in besonderen Konstellationen eine Wohnsitznahme im Tätigkeitsstaat unschädlich für das Vorliegen der Eigenschaft als Grenzgänger sei. In der Hauptsache komme die Grenzgänger-Regelu...

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