Entscheidungsstichwort (Thema)

Mieterabfindungen bei Entmietung wegen Renovierungsarbeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

2. Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzteuer 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Aufwendungen).

3. Zu den Kosten einer baulichen Maßnahme zählen nicht nur die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, sondern auch die damit in engem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden sonstigen Aufwendungen, die durch die Durchführung der Maßnahme veranlasst sind und dieser dienen sollen. Dazu können auch die Aufwendungen zählen, die für die Entmietung aufgewendet werden.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, Abs. 5 S. 2, § 11 Abs. 2, § 21 Abs. 1; HGB § 255 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.09.2022; Aktenzeichen IX R 29/21)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob von der Klägerin gezahlte Mieterabfindungen als sofort abzugsfähige Werbungskosten in der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Klägerin für das Jahr 2017 (Streitjahr) zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschaftszweck in der Vermietung von Grundstücken besteht. Mit Vertrag vom 30.03.2016 erwarb die Klägerin die vier Wohneinheiten umfassende Immobilie G-Straße 1, N-Stadt füreinen Kaufpreis von 1.200.000,– Euro. Im Zeitraum 2016 bis 2018 renovierte die Klägerin das denkmalgeschützte Objekt für insgesamt rund 615.000,– Euro. Sowohl vor Durchführung der Renovierung als auch im Anschluss daran nutzte die Klägerin die Immobilie ausschließlich zur Vermietung für Wohnzwecke. Um die vorherigen Mieter zur vorzeitigen Räumung ihrer Wohnungen zu bewegen und die entsprechenden Renovierungsarbeiten durchführen zu können, zahlte die Klägerin im Jahr 2017 an die früheren Mieter insgesamt einen Betrag in Höhe von 35.000,– Euro. Ohne diese Entmietung wäre die Renovierung umständlicher, aber technisch möglich gewesen. Die entsprechenden Aufwendungen machte die Klägerin in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend.

Im Rahmen der am 29.05.2018 angeordneten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die gezahlten Mieterabfindungen keine sofort abzugsfähigen Werbungskosten darstellen würden, sondern als Herstellungskosten des Gebäudes zu qualifizieren seien. Die Abstandszahlungen seien einzig aufgrund einer geplanten Kernsanierung des Objektes geleistet worden, wodurch die Abfindungen in einem sachlichen Zusammenhang mit den Baumaßnahmen stünden und somit bautechnisch ineinandergriffen. Die Entmietung stelle eine Vorbedingung für die Herstellungsarbeiten dar und teile deren Schicksal. Entsprechend kürzte der Beklagte in dem Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 20.03.2020 die erklärten Werbungskosten der Klägerin um 35.000,– Euro.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.04.2020 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 07.07.2005 IX R 38/03) Abfindungszahlungen zur Beendigung des Mietverhältnisses zwecks Renovierung der Immobilie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar seien, wenn die Wohnungen anschließend wieder fremd vermietet würden. Dies treffe auch auf die von ihr gezahlten Zahlungen zu.

Ein „Ineinandergreifen” der Abfindungszahlungen mit den erfolgten Baumaßnahmen, wie im Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, könne sich zudem nur auf Vorgänge beziehen, die bautechnischer Natur seien. Hieran fehle es, da die Abfindungen weder Erhaltungsaufwendungen noch Herstellungskosten darstellen würden. Auch das im Betriebsprüfungsbericht aufgeführte Urteil des BFH vom 09.02.1983 I R 29/79 könne nicht zur Begründung herangezogen werden, weil in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall Abfindungszahlungen zwecks Neuerrichtung eines Gebäudes gezahlt worden seien, ohne dass eine vorherige Vermietung durch den Erwerber erfolgt sei. Ein Abriss sei im Falle des Mietobjekts jedoch ausgeschlossen, da das Gebäude unter Denkmalschutz stehe. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass das Objekt nach dem Erwerb zunächst weitervermietet worden sei und sich daher bereits vor der Renovierung in einem betriebsbereiten Zustand befunden habe.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens kamen die Beteiligten dahingehend überein, dass von den ursprünglichen Anschaffungskosten des Objekts insgesamt ...

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