Entscheidungsstichwort (Thema)

Europarechtswidrigkeit des pauschalen Betriebsausgaben-Abzugsverbots

 

Leitsatz (redaktionell)

Die für Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften geltende Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 5% der Einnahmen (§ 8b Abs. 5 KStG 2002) verstößt auch insoweit gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit, als es um Mehrheitsbeteiligungen an Gesellschaften aus solchen Staaten geht, die nicht der EU angehören.

 

Normenkette

EGV Art. 56, 57 Abs. 1, Art. 58; EStG § 3c; KStG § 8b Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.11.2008; Aktenzeichen I R 7/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die für Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften geltende Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 5% der Einnahmen (§ 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren 2001 und 2002 geltenden Fassung – KStG 2002 –) auch insoweit gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der in den Streitjahren noch maßgebenden Fassung des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, BGBl. II 1998, 386 – EGV 1997 –) verstößt, als es um Mehrheitsbeteiligungen an Gesellschaften aus solchen Staaten geht, die nicht der EU angehören (Drittstaaten).

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gegenstand im Wesentlichen im Halten von Beteiligungen besteht. In den Streitjahren fielen bei ihr Dividendenerträge bzw. Beteiligungsaufwendungen wie folgt an:

Erträge

Erträge

Aufwand

Aufwand

2001

2002

2001

2002

XXX Procesa SA

555.300 EUR

277.650 EUR

39,11 EUR

19,67 EUR

(Spanien)

Beteiligung 92,55%

XXX (UK) Ltd.

1.943.563,29 EUR

1.013.732,77 EUR

136,87 EUR

71,82 EUR

(Großbritannien)

95%

XXX S.p.A.

285.000 EUR

190.000 EUR

20,07 EUR

13,46 EUR

(Italien)

95%

XXX USA Corp.

1.751.390,72 EUR

2.508.270,58 EUR

123,34 EUR

177,69 EUR

(USA)

100%

XXX Electric Corp.

0 EUR

36.196,53 EUR

0 EUR

2,56 EUR

(Taiwan)

94,5%

Summe

4.535.254,01 EUR

4.025.849,88 EUR

319,39 EUR

285,20 EUR

Die Höhe und die Aufteilung der Beteiligungsaufwendungen ist zwischen den Beteiligten im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung unstreitig geworden.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte die Körperschaftsteuer (KSt) für 2001 mit Bescheid vom 18. November 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 465.985 DM fest. Dabei beließ es die Beteiligungserträge steuerfrei (§ 8b Abs. 2 KStG 2002), behandelte im Gegenzug aber 5% dieser Erträge (226.762,70 EUR / 443.509 DM) als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 KStG 2002). Entsprechend setzte das FA den Gewerbesteuer-(GewSt-)Messbetrag für 2001 mit Bescheid vom 27. November 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 4.285 DM fest.

Die Klägerin beantragte am 17. November 2003, die Festsetzungen für 2001 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern. Zur Begründung führte sie aus, die Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben verstoße gegen Europa- und Verfassungsrecht. Das FA erhöhte den GewSt-Messbetrag 2001 mit Bescheid vom 21. November 2003 aus Gründen, die zwischen den Beteiligten nicht im Streit sind, auf 4.675 DM. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 1. Dezember 2003 Einspruch ein. Das FA lehnte den Änderungsantrag am 8. Dezember 2003 ab. Hiergegen legte die Klägerin am 18. Dezember 2003 Einspruch ein.

Die KSt für das Streitjahr 2002 setzte das FA mit Bescheid vom 10. November 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 241.606 EUR fest. Dabei ließ es Betriebsausgaben i.H.v. 201.292,49 EUR nicht zum Abzug zu. Am 21. November 2003 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ein entsprechender GewSt-Messbescheid für 2002 über 8.355 EUR. Gegen diese Festsetzungen legte die Klägerin am 17. November 2003 (KSt) bzw. 1. Dezember 2003 (GewSt-Messbetrag) Einspruch ein.

Am 3. Mai 2004 wies das FA die Einsprüche gegen die KSt-Festsetzung 2002 und die Festsetzungen der GewSt-Messbeträge für 2001 und 2002 sowie den Einspruch gegen die Ablehnung des Änderungsantrags zur KSt-Festsetzung 2001 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es auf seine Bindung an das geltende Recht.

Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beruft sich insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl. II 2007, 279), in dem der BFH in der Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 auf (Mehrheits-)Beteiligungen aus EU-Mitgliedstaaten einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV 1997) und in der Anwendung auf Beteiligungen aus Drittstaaten einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen hat.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

jeweils unter entsprechender Minderung des Gewerbesteuer-Aufwands

  1. den KSt-Bescheid für 2002 vom 10. November 2003 und die GewSt-Messbescheide für 2001 und 2002 vom 21. November 2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 dahingehend zu ändern, dass statt der Pauschalbeträge von 443.509 DM (2001) bzw. 201.292 EUR (2002) lediglich die tatsächlichen Auf...

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