Entscheidungsstichwort (Thema)

Kind in Haft ist nicht ausbildungsplatzsuchend

 

Leitsatz (redaktionell)

Befindet sich ein Kind in Haft, kann es bis zur geplanten Entlassung nicht als ausbildungsplatzsuchend i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) EStG angesehen werden.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch auf Kindergeld für ein inhaftiertes volljähriges Kind.

Die Klägerin erhielt zunächst bis Juli 2009 laufend Kindergeld für ihren am 14.7.1991 geborenen Sohn A., der seit dem 20.2.2009 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) A-Stadt einsaß. Laut einer Haftbescheinigung vom 9.8.2009 sollte der Austritt aus der JVA voraussichtlich am 1.11.2010 erfolgen. Die Absolvierung eines Schulabschlusses bzw. der Beginn einer Ausbildung waren in der JVA A-Stadt nicht möglich.

Vor seiner Inhaftierung besuchte der Sohn, der nach Angaben der Klägerin ein „chronischer Schulverweigerer” war, bis zur 9. Klasse verschiedene Gymnasien, zuletzt bis 2008 die Schule C. in B.-Stadt. Einen Schulabschluss hat er nicht.

Mit Schreiben vom 5.8.2009 bewarb sich der Sohn A bei der Firma D in C-Stadt um eine „Anstellung”, um dort arbeiten zu können und „nebenbei seinen Schulabschluss” zu machen. Der Inhaber dieser Firma bestätigte der Klägerin am 6.8.2009 schriftlich, dass er den Sohn für ein Jahr als Praktikanten beschäftigen würde. Er könne zwar selbst nicht ausbilden, wolle aber einem Jugendlichen in schwieriger Situation die Chance geben, sein Leben wieder in die richtige Bahn zu bringen.

Mit Bescheid vom 25.8.2009 lehnte die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Weiterzahlung von Kindergeld für den inzwischen volljährig gewordenen Sohn A mit der Begründung ab, das Kind könne zur Zeit auf Grund der Inhaftierung nicht zum nächstmöglichen Beginn eine Ausbildung aufnehmen. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies sie mit Einspruchsentscheidung vom 14.9.2009 als unbegründet zurück.

Mit der Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Bewilligung von Kindergeld ab August 2009. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor, ihr Sohn A sei als ausbildungswilliges Kind zu berücksichtigen. Er wolle ernsthaft den Schulabschluss nachholen und danach eine Ausbildung beginnen. Hierzu habe er sich aus der Haft heraus ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bzw. die Beendigung seiner Schulausbildung bemüht und sich erfolgreich um ein berufsvorbereitendes Praktikum beworben. Das Praktikum habe er nur auf Grund seiner Inhaftierung nicht sofort antreten können. Nach seiner Haftentlassung am 14.9.2010 sei der Platz anderweitig besetzt gewesen. Insoweit sei seine Ausbildung fremdbestimmt und ohne seinen Willen unterbrochen.

Da sie durch Besuche ihres Sohnes in der JVA A-Stadt und monatliche Zahlungen Unterhaltsaufwendungen mindestens in Höhe des Kindergeldes habe, stehe ihr ein Anspruch auf Kindergeld zu.

Während des Klageverfahrens hat der Sohn A ab dem 9.2.2010 in der JVA A-Stadt an einem „Grundlehrgang Metall” teilgenommen. Die Beklagte hat der Klägerin daraufhin ab Februar 2010 Kindergeld bewilligt.

Die Klägerin beantragt noch,

ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 25.8.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14.9.2009 auch für den Zeitraum August 2009 bis Januar 2010 Kindergeld für ihren Sohn A zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Sohn sei nicht als Kind ohne Ausbildungsplatz im Sinne von § 32 Absatz 4 Nr. 2 c EStG zu berücksichtigen. Ein Mangel eines Ausbildungsplatzes liege nicht vor, wenn das Kind die objektiven Anforderungen an den angestrebten Ausbildungsplatz nicht erfülle oder wenn es im Falle des Bereitstehens eines Ausbildungsplatzes aus anderen Gründen am Antritt der Ausbildung gehindert sei. Im Streitfall könne der Sohn auf Grund seiner Inhaftierung seinen Aufenthaltsort nicht selbst bestimmen und daher die in Aussicht gestellte Praktikumsstelle nicht anzutreten. Zudem sei das beabsichtigte Praktikum nicht berücksichtigungsfähig, da es ein Jahr dauern solle und seine konkrete Ausgestaltung unklar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Kindergeldakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 25.8.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14.9.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –), da für den Sohn A für die noch streitigen Monate August 2009 bis Januar 2010 kein Anspruch auf Kindergeld besteht.

Für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) – neben weiteren hier nicht problematischen Voraussetzungen – nur dann, wenn es einen der in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt.

Ein volljähriges Kind, das noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, wird nach den im Streitfall allenfalls in Betracht kommenden Alternativen berücksichtigt,

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