Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus Kapitalvermögen im Zusammenhang mit einer Aktienübertragung aufgrund einer Vereinsauflösung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird der im Zuge einer Vereinsauflösung durch den Verkauf von Aktien erzielte Veräußerungsgewinn an die Mitglieder eines Vereins als nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft ausgekehrt, erhalten die Mitglieder des Vereins Leistungen, die Gewinnausschüttungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind und gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören. Diese Leistungen sind mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar, wenn sich die Zahlung für den Verein als Gewinnverwendung darstellt und die Zahlung den Mitgliedern aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft und gerade nicht aufgrund einer sonstigen schuldrechtlichen Beziehung zufließt.

2. Ein Treuhandverhältnis zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern hinsichtlich von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (Aktien) als Treugut liegt nicht allein deshalb vor, weil in der Vereinssatzung die Wörter Treuhänder verwendet werden, da daraus weder eine Weisungsbefugnis der Mitglieder noch eine Weisungsgebundenheit des Vereins folgt, noch dazu, wenn der Verein nach den Satzungsregelungen eigenes Vermögen hat bzw. bilden kann, die Mitglieder nicht über das Treugut allein disponieren können, keine über die vereinsmitgliedschaftlichen Rechte hinausgehenden Einfluss- oder Verfügungsmöglichkeiten hinsichtlich des Treuguts haben und auch nicht in der Lage sind, gegenüber dem Verein jederzeit die Herausgabe der auf sie jeweils entfallenden Anteile am Treugut zu verlangen.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7a, Abs. 5, § 52 Abs. 28 S. 11, § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Einkünfte aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2018 im Zusammenhang mit einer Übertragung von Aktien aufgrund einer Vereinsauflösung.

Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr bei dem B V beschäftigt und Mitglied des A e.V. (A)

Im Jahr 2000 erwarb mit Aktienkaufvertrag vom 00.00.2000 u.a. der 1. Bevollmächtigte der, Herr X T (T), als Treuhänder für die Belegschaft des B V 25,1% der Anteile an der B V AG (AG) zu einem symbolischen Kaufpreis von 0,26DM. In Art. I, Präambel, Abs. 3 des Aktienkaufvertrages war festgelegt, dass er nach dem Erwerb die Aktien an eine noch zu gründende, die Belegschaft begünstigende Stiftung o.ä. übertragen würde.

Im Jahr 2002 wurde A mit Sitz in V gegründet. Zweck des Vereins war neben der Erhaltung und Sicherung der Arbeitsplätze (§ 2 Nr. 1 Buchst. a) das Halten und Verwalten des 25,1 %igen Anteils an der AG (§ 2 Nr. 1 Buchst. d) und die Verwaltung und Verwendung der Erträgnisse aus dem 25,1 %igen Anteil zu d) (§ 2 Nr. 1 Buchst. g). Für weitere Einzelheiten wird auf die Satzungen des A vom 00.00.2002 bzw. vom 00.00.2009 Bezug genommen.

Ebenfalls im Jahr 2002 wurden die Aktien auf A übertragen.

Ausweislich der verbindlichen Auskunft des Finanzamts I vom 03.12.2002 hinsichtlich der Übertragung von Gesellschaftsanteilen der AG an den A erfolgte der Erwerb der Aktien durch den 1. Bevollmächtigten der … treuhänderisch für die Belegschaft bzw. den A.

Auf der Mitgliederversammlung des A vom 00.00.2016 wurden der Verkauf der Aktien und die Auflösung des Vereins beschlossen.

Der jeweilige Anteil an dem Veräußerungsgewinn wurde nach einem in der Satzung festgelegten Punktesystem errechnet, wobei die Dauer der Betriebszugehörigkeit entscheidend war. Der Kläger erreichte zum 31.12.2008 einen Punktestand von 198 und zum 31.12.2018 einen Punktestand von 303,6; letzteres entspricht 1.471 Aktien.

Ausweislich der Steuerbescheinigung des A wurden an den Kläger am 01.02.2018 für das Streitjahr Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres (EStG) i.H.v. 75.323,24€ gezahlt; die Summe der Kapitalertragsteuer i.H.v. 25% betrug 18.416,44€, des Solidaritätszuschlages 1.012,90€ und der Kirchensteuer zur Kapitalertragsteuer 1.657,48€.

Am 25.11.2019 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2018, in dem er auch Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 75.323€, die mit der Abgeltungsteuer besteuert werden, berücksichtigte.

Hiergegen legten die Kläger am 06.12.2019 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, die Gewinn aus der Veräußerung bestandsgeschützter Alt-Anteile i.S.d. § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Investmentsteuergesetz unterliege nicht der Kapitalertragsteuer. Der A habe die Aktien treuhänderisch und nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkauf. Dies folge aus der verbindlichen Auskunft des Finanzamts I. Herr T habe die Aktien als Treuhänder für die Belegschaft erworben. Mit der Übertragung der Aktien durch Herrn T auf A sei das Treuhandverhältnis fortgeführt worden. Auch in der Satzung des A sei die Treuhandschaft geregelt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27.04.2020 wies der Be...

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