Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilsvereinigung nach Zusammenlegung katholischer Kirchengemeinden

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine steuerbare und steuerpflichtige Anteilsvereinigung liegt auch dann vor, wenn sämtliche Anteile einer GmbH durch Zusammenlegung mehrerer katholischer Kirchengemeinden nur noch von einer neu entstandenen Gemeinde gehalten werden.

2) Eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung zum Schutz des aus Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV resultierenden Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; GrEStG § 1 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.03.2020; Aktenzeichen II R 35/17)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob § 1 Abs. 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Anwendung findet und ob – sollte dies der Fall sein – eine Befreiungsvorschrift eingreift.

Die Klägerin ist eine Kirchengemeinde und hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie wurde durch Urkunde des Bischofs von S vom 00.00.0000 errichtet. Unter Nr. 1 der Errichtungsurkunde heißt es, nach Anhörung aller unmittelbar Beteiligten und des Priesterrates (gem. can. 515 § 2 Codex Iuris Cononici – CIC –) würden die R 1 bzw. Pfarreien und Kirchengemeinden R 2, R 3, R 4, R 5, R 6, R 7, R 8 und R 9, R 10 und R 11 vereinigt; aus ihnen werde die Klägerin neu errichtet (gem. can. 121 CIC). Die genannten Kirchengemeinden hatten ebenfalls den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Unter Nr. 3 der bischöflichen Urkunde ist ausgeführt, dass das gesamte Kirchenvermögen (einschließlich aller Forderungen, Verbindlichkeiten und Immobilien), die Kirchenbücher und die Akten der aufgehobenen Pfarreien und Kirchengemeinden der neu errichteten Klägerin (als ausschließlicher Rechtsnachfolgerin) zugeführt würden. Der Regierungspräsident erkannte die bischöfliche Urkunde (gem. § 4 der Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden vom 21.11.1960 [Vereinbarung vom 21.11.1960]) durch Urkunde vom 00.00.0000 staatlich an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Amtsblatt für den Regierungsbezirk vom 00.00.0000, Seite X f. veröffentlichen Urkunden (die auch im Amtsblatt des Bistums S veröffentlicht wurden) Bezug genommen.

Die von der Vereinigung betroffenen Kirchengemeinden R 4 und R 11 waren Gesellschafter der L Gesellschaft mit beschränkter Haftung (L GmbH). Die Kirchengemeinde R 4 war mit X % und die Kirchengemeinde R 11 mit X % am Stammkapital der L GmbH beteiligt. Unternehmensgegenstand der GmbH war ... der Betrieb katholischer ... Einrichtungen ... . Die L GmbH hatte Grundbesitz. Zudem war sie Alleingesellschafterin der ebenfalls über Grundbesitz verfügenden L Krankenhaus GmbH. Einige der Grundstücke lagen nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Sowohl die L GmbH als auch die L Krankenhaus GmbH waren als gemeinnützig anerkannt; sie verfolgten ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. In dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag war das Selbstverständnis der Caritas als einer Wesensfunktion der katholischen Kirche hervorgehoben.

Zeitlich vor Errichtung der Klägerin hatte die L GmbH einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt gestellt und mitgeteilt, die Kirchengemeinde R 4 beabsichtigte ihre Anteile unentgeltlich auf die Kirchengemeinde R 11 zu übertragen. Der Antrag auf verbindliche Auskunft betraf die Frage, ob die Übertragung der Anteile von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Das Finanzamt erteilte der L GmbH unter dem 00.00.0000 die verbindliche Auskunft, dass dies (gem. § 3 Nr. 2 GrEStG) der Fall sei.

Ende August 0000 begann das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung mit einer Außenprüfung bei der Klägerin. Die Außenprüfung betraf die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer sowie die Feststellung der Grundbesitzwerte. Der Prüfer gelangte zu dem Schluss, dass durch den Übergang des Kirchenvermögens auf die Klägerin die Anteile an der L GmbH zu 100 % in der Hand der Klägerin vereinigt worden seien. Hierdurch sei ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht worden. Betroffen seien sowohl die Grundstücke, die sich im Eigentum der L GmbH befänden als auch diejenigen, deren Eigentümerin die L Krankenhaus GmbH sei. Auf den Betriebsprüfungsbericht von 00.00.0000 wird ergänzend Bezug genommen.

Der Beklagte erließ am 00.00.0000 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. Die Besteuerungsgrundlagen wurden hierin „gem. § 17 GrEStG gesondert festgestellt für die Vereinigung der Anteile durch die Urkunde des Bischofs von S vom 00.00.0000 und der Zustimmungsurkunde des Regierungspräsidenten vom 00.00.0000 am 00.00.0000 (Steuerstichtag)” und den durch die „Vereinigung der Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG” der „L GmbH verwirklichten Erwerbsvorgang”. Dem Bescheid beigefügt war der Betriebsprüfungsbericht vom 00.00.0000, von dem es heiß...

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