Entscheidungsstichwort (Thema)

Nacherhebung von ErbSt durch Insolvenzeintritt nicht sachlich unbillig

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte.

2) Die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ist dann aus sachlichen Gründen unbillig, wenn die Einziehung dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde.

3) Der Verlust des Betriebsvermögens bzw. der Beteiligung an einer KG durch Insolvenz innerhalb der Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG führt nicht zu einer Unbilligkeit der Erhebung der Nachsteuer aus sachlichen Gründen.

 

Normenkette

ErbStG § 13a; AO § 227

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.02.2010; Aktenzeichen II R 35/09)

BFH (Urteil vom 04.02.2010; Aktenzeichen II R 35/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Erbschaftsteuer, die auf Grund eines Verstoßes gegen Behaltensregeln des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) nachgefordert wird, wegen Unbilligkeit zu erlassen ist.

Die Klägerin ist die Alleinerbin ihrer am 12.03.2001 verstorbenen Großmutter F 1. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte u. a. ein Anteil an der F 2 GmbH & Co. KG, den der Beklagte nach den Angaben der Klägerin in der Erbschaftsteuer-Erklärung mit 334.930 DM bewertete. Außerdem gehörten zum Nachlass noch andere KG-Anteile an einer anderen Gesellschaft, die mit 1.499.884 DM angesetzt wurden. Außerdem gehörten Wertpapiere in Höhe von 182.836 DM sowie Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von 194.118 DM zum Nachlass.

Die Erbschaftsteuer setzte der Beklagte zunächst unter Berücksichtigung der Steuer-vergünstigung gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG für das im Nachlass enthaltene Betriebsvermögen von einem Erwerb (einschließlich Vorerwerb von 73.920 DM) von insgesamt 2.265.688 DM unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 ErbStG in Höhe von 400.000 DM und des Freibetrags nach § 13a ErbStG in Höhe von 1.033.926 DM von einem steuerpflichtigen Erwerb von 831.700 DM auf 124.755 DM (63.786,22 Euro) fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 18.02.2002 mit Anlagen Bezug genommen.

Im Juni 2003 eröffnete das Amtsgericht B über das Vermögen der F 2 GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren.

Der Beklagte sah in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Verstoß gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und vertrat danach die Auffassung, dass eine Steuerentlastung nach § 13a ErbStG nicht zu gewähren sei. Der Beklagte änderte den Bescheid vom 18.02.2002 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) und setzte die Erbschaftsteuer nunmehr auf 144.765 DM (74.017 Euro) fest. Auf die Klägerin entfiel damit eine Nachforderung von 10.230,78 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 02.01.2006 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11.01.2006 den Erlass der aus dem Wegfall der Steuervergünstigung des § 13a ErbStG resultierenden Erbschaftsteuer-Nachforderung in Höhe von 10.230,78 Euro. Im Streitfall liege eine sachliche Unbilligkeit vor, denn die rechtliche Aussage des Gesetzes gehe im Streitfall über den mit dem Gesetz verfolgten Zweck hinaus.

Anders als bei einer normalen Veräußerung, die zu einer „Versilberung” des Betriebsvermögens mit einer dadurch erlangten Liquidität führe, sei dies im Fall einer erzwungenen Betriebsaufgabe durch ein Insolvenzverfahren nicht der Fall. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin erhöhe sich gerade nicht, so dass auch nicht zu rechtfertigen sei, ihr weitere Steuerlasten aufzubürden. Bei einer Insolvenz erhalte der Erbe trotz des unfreiwilligen, erzwungenen Verlustes des Unternehmens keinen werthaltigen Gegenwert für das Betriebsvermögen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin im Streitfall zur Fortführung des Unternehmens durch Übernahme persönlicher Bürgschaften zusätzliche eigene finanzielle Mittel beigesteuert habe. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens sei sie aus diesen Bürgschaften in Höhe von 243.638 Euro in Anspruch genommen worden, was ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weiter gemindert habe.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erlass mit Bescheid vom 28.02.2006 ab. Eine sachliche Unbilligkeit liege im Streitfall nicht vor. Der Nachversteuerungstatbestand erfasse neben den „freiwilligen” Betriebsaufgaben auch alle „erzwungenen” Betriebsaufgaben (vgl. BFH, Urteil vom 16.02.2005 II R 39/03, BStBl. II 2005, 571). Der erklärte Wille des Gesetzgebers dürfe nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme durchkreuzt und eine von ihm vorgeschriebene Besteuerung ganz allgemein im Billigkeitswege außer Kraft gesetzt werden.

Die Klägerin legte Einspruch ein. Zweck der Regelung des § 13a Abs. 5 ErbStG sei es, Missbrauchsfälle zu vermeiden. Schon dadurch, dass die Klägerin zur Fortführung des Unternehmens durch Übernahme persönlicher Bürgschaften in Höhe von rund 245.000 Eu...

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