Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit der Schätzung gewerblicher Einkünfte aus einem Taxiunternehmen bei Nichtvorlage sogenannter Schichtzettel

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Zu den sonstigen Unterlagen i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO gehören alle in einem Unternehmen anfallenden Unterlagen, die Aussagen oder Teilaussagen über steuerlich relevante Vorgänge enthalten und keine Buchungsbelege sind.

2) Sogenannte Schichtzettel, in denen der jeweilige Fahrer, das Datum, der Beginn und das Ende seiner Schicht, die Total- und Besetztkilometer, die Touren, der Fahrpreis, die Fahrten ohne Uhr, die Gesamteinnahmen, die Lohnabzüge, die verbleibenden Resteinnahmen sowie die an den Unternehmer abgelieferten Beträge angegeben sind, gehören wegen ihrer besonderen Bedeutung für eine Einnahme- und Lohnverprobung zu den aufbewahrungspflichtigen sonstigen Unterlagen i.S. des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.

3) Die Nichtvorlage derartiger Schichtzettel berechtigt die Finanzbehörde zu einer Schätzung bzw. Hinzuschätzung der gewerblichen Einkünfte des Taxiunternehmers.

 

Normenkette

AO 1977 § 147 Abs. 1, 1 Nr. 5, § 162; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1, 1 S. 1; EStG § 4 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen XI R 25/02)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Schätzungsbescheiden.

Der Kl. betreibt seit 1987 ein Taxiunternehmen. In den Steuerbescheiden der Streitjahre 1990 bis 1992 wurden zunächst ausgehend von den eingereichten Steuererklärungen folgende – nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte – gewerbliche Erträge angesetzt:

1990

1991

1992

DM

DM

DM

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

42.776

47.744

44.310

Nach einer in 1996 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Bekl. zu der Auffassung, daß der Kl. seine gewerblichen Gewinne in den Streitjahren nicht zutreffend erklärt habe. Er beanstandete Mängel in der Kassenführung, das Vorliegen von Kassenfehlbeträgen sowie das Fehlen sogenannter Schichtzettel (mit Angaben der jeweiligen Fahrer, des Datums der Schicht, des Schichtbeginns und des Schichtendes, der Total- und Besetztkilometer, der Touren, des Fahrpreises, des Tachostandes, der Fahrten ohne Uhr, der Gesamteinnahme, der sonstigen und Lohnabzüge, der verbleibenden Resteinnahme und der an den Unternehmer abgelieferten Beträge) und erhöhte die gewerblichen Gewinne der Streitjahre – unter Berücksichtigung eines Taxenumsatzes von jährlich 100.000 DM – im Schätzungswege um folgende Beträge:

1990

1991

1992

DM

DM

DM

16.496

984

2.615

Die gegen die geänderten Steuerbescheide eingelegten Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kl. ist der Auffassung, daß die Schätzungen zu Unrecht erfolgt seien. Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seien Kassenberichte, Kassenbücher und Kassenbestandsermittlungen nicht erforderlich. Aus den vom Prüfer rechnerisch ermittelten Kassenfehlbeträgen könnten keine für den Kl. nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Ferner seien die Schichtzettel auch nicht als sonstige Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 5 AO aufbewahrungspflichtig. Diese Unterlagen hätten lediglich eine Kontrollfunktion für den Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern. Sie wären daher – nach Erfassung der Zahlen im Kassenbuch – vernichtet worden. Die vom Prüfer vorgenommenen Schätzungen seien daher unberechtigterweise erfolgt. Der Kl. sei vielmehr seiner Verpflichtung, alle Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen, gewissenhaft nachgekommen. Die Belege seien auch ordnungsgemäß und übersichtlich aufbewahrt worden, so daß eine leichte Überprüfung aller Geschäftsvorfälle möglich gewesen sei.

Der Kl. beantragt,

die geänderten ESt-Bescheide 1990 bis 1992 vom 06.05.1997 und die Einspruchsentscheidung vom 24.09.1997 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Gründe seiner EE und ist der Auffassung, daß die Schätzungen zu Recht erfolgt seien. Zwar seien die vorhandenen Unterlagen formell möglicherweise nicht zu beanstanden; jedoch seien die vom Kl. erklärten Besteuerungsgrundlagen nicht hinreichend schlüssig und nachvollziehbar gewesen. Durch die Vernichtung der aufbewahrungspflichtigen Schichtzettel sei die Richtigkeit der vom Kl. vorgelegten Unterlagen nicht mehr hinreichend überprüfbar gewesen. Die Zuschätzungen seien daher zu Recht erfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat zu Recht die gewerblichen Einkünfte aus dem Taxiunternehmen geschätzt.

Gemäß § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die Schätzung ist keine Ermessensentscheidung dahingehend, daß die Behörde einen Spielraum hinsichtlich der Rechtsfolge, ein Rechtsfolgeermessen hat. Vielmehr ist die Schätzung als Beweismittelersatz aufgrund unzureichender Beweismittel anzusehen. Das Gericht, das gemäß §§ 76 Abs. 1, 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO grundsätzlich nicht die Schätzung der Finanzbeh...

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