Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein rückwirkendes Ereignis bei vor Bestandskraft erteilter Zustimmung zum Realsplitting

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein nach Bestandskraft gestellter Antrag auf Realsplitting bei zuvor bereits vorliegender Zustimmungserklärung rechtfertigt keine Änderung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1; AO § 175 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.08.2014; Aktenzeichen X R 33/12)

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl) und seine Ehefrau leben seit März 2002 dauernd getrennt. Der Kl leistet an seine Ehefrau seitdem Barunterhalt und machte die Zahlungen als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)) geltend. Der Beklagte (Bekl) berücksichtigte die Zahlungen in den Vorjahren als Sonderausgaben.

Die Ehefrau hatte dem Realsplittung zugestimmt, zuletzt mit einer am 30. Dezember 2009 unterzeichneten Anlage U. Die Zustimmungserklärung war durch die Ehefrau nicht widerrufen worden.

Der steuerlich beratene Kl reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 im März 2010 elektronisch (ELSTER-Verfahren) ein. Dabei wurden mit den elektronisch übermittelten Daten keine Unterhaltszahlungen geltend gemacht. Die dem Bekl postalisch übersandten Unterlagen enthielten keine Anlage U.

Der Bekl setzte die Einkommensteuer 2007 mit formell bestandskräftigem Bescheid vom 20. April 2010 auf X EUR ohne Ansatz der Unterhaltszahlungen fest. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigtem gegenüber bekannt gegeben.

Ende August 2010 machte der Kl die Unterhaltszahlungen gegenüber dem Bekl geltend und begehrte die Änderung der Festsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) oder § 129 AO.

Der Bekl lehnte eine Änderung ab. Der dagegen gerichtete Einspruch war erfolglos.

Mit seiner Klage begehrte der Kl weiterhin die Änderung des Einkommensteuerbescheids. Die Einkommensteuererklärung sei mit dem Einkommensteuerprogramm für 2007 der DATEV (Version 11.3) erstellt und elektronisch übermittelt worden. In der Bildschirmansicht der bei der Datenübernahme aus 2006 in 2007 erstellten Daten sei der Unterhaltsbetrag von X EUR in der Anlage U im Feld „Barleistungen” angezeigt worden. Die fertig gestellte Erklärung habe weder im Zeitpunkt der Erstellung noch bei Übermittlung an die Finanzverwaltung Anlass zu einer Überprüfung gegeben, ob die übermittelten Daten von den angezeigten Daten abwichen.

Eine Änderung sei nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Der Antrag sei nicht fristgebunden. Er könne auch nach Bestandskraft gestellt werden. Durch den Antrag und die Zustimmung ändere sich der Rechtscharakter der Zahlungen. Aus der Rechtsprechung des BFH folge nicht, dass der Antrag nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstelle, wenn auch die Zustimmung erst nachträglich, nach Bestandskraft, erteilt werde.

Eine Änderung sei auch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Ein grobes Verschulden liege nicht vor. Ein Abgleich der durch die Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Daten mit den bei elektronischer Abgabe der Steuererklärung übermittelten Daten habe keinerlei Abweichungen erkennen lassen. Eine abschließende Kontrolle erfolge heutzutage elektronisch durch Bildschirmansicht. Ein ausgedrucktes Exemplar der Steuererklärung existiere in vielen Fällen nicht mehr. Erst auf Nachfrage bei der DATEV bei Erstellung der Erklärung für 2008 sei das DATEV-Dokument 1015067 bekannt geworden, in dem auf den Fehler hingewiesen worden sei. Die Datenbank enthalte mehrere tausend Dokumente. Keinem Berater sei die Kenntnis einer derartigen Datenbank zuzumuten.

Der Kl beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 2. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2011 den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20. April 2010 abzuändern und Sonderausgaben i. H. v. X EUR zu berücksichtigen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl macht geltend, die Zustimmung der Ehefrau habe seit 2004 vorgelegen. Eine Änderung nach § 175 AO scheide aus. Der Antrag entfalte keine Rückwirkung. Eine Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolge in Fällen der nachträglich erstrittenen Zustimmung. Ein solcher Fall sei nicht gegeben.

Einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO stehe ein grobes Verschulden entgegen. Unterhaltszahlungen seien bereits seit 2004 geltend gemacht worden. Insoweit hätte bei routinemäßiger Überprüfung des Steuerbescheids auffallen können und müssen, dass anstelle eines Unterhaltsbetrags von X EUR nur der Sonderausgaben-Pauschbetrag i. H. v. 36 EUR angesetzt worden sei. Zudem obliege es dem steuerlichen Berater, die verwendete Software regelmäßig auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit zu prüfen. Auch hätte dem Kl selbst beim Unterschreiben der Steuererklärung auffallen können, dass eine Eintragung zu den Unterhaltsleistungen nicht erfolgt sei. Unterschreibe ein Steu...

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