Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitergeltung der Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG und Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 KStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Nationale Gerichte sind befugt, vorläufigen Rechtsschutz gegen einen nationalen Verwaltungsakt zu gewähren, der auf einem Gemeinschaftsrechtsakt beruht bzw. diesen umsetzt. Dies gilt auch für solche nationalen Verwaltungsakte, die eine Entscheidung der Europäischen Kommission zur Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 108 Abs. 2 AEUV bzw. deren Rückforderung umsetzen.

2) Voraussetzung für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist, dass das nationale Gericht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechtsakts haben muss, die Entscheidung dringlich ist, um einen schweren, nicht wiedergutzumachenden Schaden zu vermeiden, die Interessen der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt werden und vorläufige Anordnungen des EuG oder EuGH in der gleichen Angelegenheit beachtet werden.

3) An der Gültigkeit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26.01.2011 zur Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG bestehen ernstliche Zweifel.

4) Es erscheint ernstlich möglich, dass § 8c Abs. 1 KStG verfassungswidrig ist.

 

Normenkette

KStG § 8c Abs. 1; AEUV Art. 107 Abs. 1, Art. 108; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69; KStG § 8c Abs. 1a

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG wegen Verstoßes gegen das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht anzuwenden ist und ob § 8c Abs. 1 KStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.

Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin (ASt.), einer GmbH, ist die …. Darüber hinaus hält sie Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften, die zusammen die X-Gruppe bilden (siehe im Einzelnen Anlage 3 zum Schriftsatz vom 3.2.2011, Bl. 19 der GA).

Nach ihrer Gründung im Jahr … firmierte die ASt. zunächst als …-GmbH. Nach einer Verschmelzung mit der M-GmbH, deren Tätigkeit insbesondere … umfasste, wurde die Firma der ASt. ab … in N-GmbH geändert. Die …aktivitäten wurden in der 100 %-igen Tochtergesellschaft O-GmbH und die übrigen …tätigkeiten in der P-GmbH gebündelt. Die ASt. hatte ein Stammkapital von … EUR. Die Geschäftsanteile an ihr hielten die X-GmbH & Co. KG (im Folgenden: X-KG) zu … % (… EUR) [über 90 %] und die Y-GmbH zu … % (… EUR) [unter 10 %]. Komplementärin der X-KG ohne Beteiligung am Kapital war die Z-GmbH.

Vor den hier in Rede stehenden Vorgängen waren an der X-KG als Kommanditisten A; Kapitalanteil … EUR), B, C und D (Kapitalanteile je … EUR) sowie die E-GmbH (Kapitalanteil … EUR) beteiligt. Die Geschäftsanteile an der Y-GmbH (Stammkapital … EUR) hielten B zu … % (… EUR), C und D zu je … % (… EUR) sowie die E-GmbH zu … % (… EUR). Die Geschäftsanteile an der Z-GmbH (Stammkapital … EUR) hielten A zu … % (… EUR), B, C und D zu je … % (… EUR) und F zu … % (… %).

Am … 2007 wurde über das Vermögen der O-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der O-GmbH standen zu diesem Zeitpunkt Forderungen i.H.v. … EUR gegen die ASt. als ihrer 100 %-igen Muttergesellschaft zu. Nachdem der Insolvenzverwalter die Forderungen zum … 2007 fällig gestellt hatte, fanden weitere Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter statt, die zum Abschluss einer Sanierungsvergleichsvereinbarung unter dem Datum vom … 2007 führten. Nach dieser verzichtete der Insolvenzverwalter auf offene Forderungen gegen die ASt. i.H.v. ca. … EUR. Die ASt. erklärte sich im Gegenzug bereit, Zahlungen i.H.v. … EUR zu leisten, und zwar in Höhe eines Teilbetrags von … EUR in Form von Ratenzahlungen bis zum … sowie in Höhe des restlichen Betrags von … EUR bis spätestens … mittels Verwertung von nicht betriebsnotwendigem Immobilienvermögen. Unter dem Datum vom … 2007 schloss die ASt. eine weitere Sanierungsvereinbarung mit denjenigen Banken, die ihr im Jahr 2005 ein über eine Landesbürgschaft abgesichertes Liquiditätsdarlehen i.H.v. … EUR gewährt hatten. In dieser Vereinbarung verzichteten die Banken auf die Hälfte des Darlehens (… EUR). Der verbleibende Betrag von … EUR ist danach in Form von Raten rückzahlbar, die ab … bis zum … zu erbringen sind. Die vorgenannte Sanierungsvereinbarung stand u.a. unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Finanzbehörden sowie die Stadt … in schriftlicher Form ankündigten, auf diejenige Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer zu verzichten, die aufgrund der Forderungsverzichte des Insolvenzverwalters der O-GmbH und der o.g. Banken entsteht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sanierungsvereinbarungen vom …2007 und vom … 2007 Bezug genommen. Nach dem Vorbringen der ASt. bildeten die vorgenannten Sanierungsvereinbarungen die wesentliche Grundlage dafür, dass die verbliebenen Aktivitäten der X-Gruppe fortgeführt werden konnten.

Unter dem Datum vom 17.3.2008 beantragte die ASt. beim Antragsgegner (dem Finanzamt – FA –), den aufgrund der Forderungsverzichte im Jahr 2007 entstandenen Gewinn i.H.v....

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