Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmerische Tätigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Umsatzgrenze. Betrieb gewerblicher Art

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG ist im Lichte des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie dahin auszulegen, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine wirtschaftliche Tätigkeit ausführt, wenn sie in eigenem Namen gegen Entgelt Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt und dabei auf privatrechtlicher Grundlage tätig wird und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt.

2. Die Verwaltungsauffassung, wonach die Unternehmereigenschaft vom Erreichen der körperschaftsteuerlichen Umsatzgrenze für Betriebe gewerblicher Art anhängt, ist überholt.

 

Normenkette

UStG 2005 § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5; UStR 2005 Abschn. 23 Abs. 4; KStG 2002 § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.03.2010; Aktenzeichen XI R 17/08)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids vom 29. Dezember 2006 wird die Umsatzsteuervorauszahlung für August 2006 auf 3.055,15 EUR festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin Vorsteuern aus der Rechnung der Marktgemeinde A. (nachfolgend: Marktgemeinde) geltend machen kann.

Die Klägerin, eine zum 1.1.1996 gegründete OHG, vermarktet Werbemobile. Sie bietet dazu Vertragspartnern, vor allem Kommunen, Sportvereinen und sozialen Einrichtungen (nachfolgend: Einrichtungen), die Überlassung eines mit Werbeaufschriften zu versehenden Fahrzeuges auf der Basis eines vorbereiteten Vertragstextes an. Sind genügend Werbekunden gefunden, beschafft die Klägerin ein Fahrzeug, beklebt es mit Werbeaufschriften auf eigene Kosten und vereinnahmt von den Werbeinteressenten das Entgelt für die Werbefläche. Nach der Beschriftung wird das Fahrzeug den Vertragspartnern – wie vorliegend der Marktgemeinde – übereignet, die sich verpflichten, über eine Vertragslaufzeit von 5 Jahren das Werbemobil zur Erreichung der Werbewirksamkeit in der Öffentlichkeit zu bewegen.

Aufgrund des im Streitfall maßgebenden Vertrages vom 2. Januar 2006 verpflichtete sich die Klägerin, der Marktgemeinde einen Werbeträger (Kfz: hier Fiat Doblo) zur Verfügung zu stellen, den sie entsprechend der vertraglichen Vereinbarung am 21. Juni 2006 an die Marktgemeinde auch übergab. Mit Datum vom 9. August 2006 rechnete die Marktgemeinde u.a. die Erbringung von Werbefahrten mit dem Kfz Fiat Doblo vom 21. Juni 2006 bis 20. Juni 2011 mit der Klägerin im Voraus ab. Da die Klägerin der Marktgemeinde bereits mit Rechnung vom 31. Juli 2006 ihre nach dem Vertrag vom 2. Januar 2006 zu erbringende Leistung mit dem gleichen Nettobetrag von 9.810 EUR in Rechnung gestellt hatte, verrechnete die Klägerin die beiden Forderungen, so dass es insoweit zu keiner Zahllast für einen der beiden Vertragspartner kam.

Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung bei der Marktgemeinde kam das Finanzamt (FA) …zu dem Ergebnis, dass die mit dem Fahrzeug verbundenen Tätigkeiten der Marktgemeinde nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erfolgt seien und diese daher nicht berechtigt gewesen sei, für die von ihr erbrachten Leistungen eine Rechnung mit Mehrwertsteuerausweis zu stellen. Für die Frage, ob ein Betrieb gewerblicher Art vorliege, sei entsprechend Abschn. 23 Abs. 4 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) abzustellen, so dass ein Betrieb gewerblicher Art zu verneinen sei, wenn die Umsatzgrenze von 30.678 EUR nicht erreicht werde.

Das beklagte FA machte sich diese Auffassung zu Eigen und erkannte der Klägerin die von der Marktgemeinde in der Rechnung vom 9. August 2006 ausgewiesene Mehrwertsteuer in Höhe von 1.569,87 EUR nicht als abzugsfähige Vorsteuer an und setzte für die Klägerin mit Bescheid vom 29. Dezember 2006 eine Umsatzsteuervorauszahlung für August 2006 von 4.625,02 EUR fest.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Sprungklage, der das FA zugestimmt hat, trägt die Klägerin vor, dass die Umsatzgrenzen beim Betrieb gewerblicher Art in der Körperschaftsteuer kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal für die Umsatzsteuer darstelle, da die Umsatzsteuer den Vorgaben der Mehrwertsteuerrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft zu folgen habe. Danach seien Einrichtungen des öffentlichen Rechts unter weiteren Voraussetzungen nur dann nicht als Steuerpflichtige zu behandeln, soweit Tätigkeiten ausgeübt würden, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt oblägen.

Vorliegend unterliege die Werbeleistung der Marktgemeinde als rein privatrechtliche Angelegenheit ausnahmslos dem Zivilrecht. Auf das Erreichen bestimmter Umsatzgröß...

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