Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinnützigkeit einer Vereinigung. Körperschaftsteuerbefreiung. Einstufung als „extremistisch”. Erwähnung im Verfassungsschutzbericht. Verfassungsmäßigkeit des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: V R 36/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bedenken gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO bestehen nicht. Die Vorschrift entspricht dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit.

2. Der in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO verwendete Begriff „extremistisch” kann in verfassungskonformer Weise als „verfassungsfeindlich” in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Organisation nach den Ausführungen des jeweiligen Verfassungsschutzberichts Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert.

3. Berichtet ein Verfassungsschutzbericht jahrelang unter einer eigenen Textziffer inhaltlich zu einer Gruppierung, liegt weder ein Verdachtsfall noch eine bloß beiläufige Erwähnung vor.

4. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO erfordert zwar eine ausdrückliche Erwähnung im Verfassungsschutzbericht, aber keine wortwörtliche Bezeichnung als „extremistisch”.

 

Normenkette

AO § 51 Abs. 3 S. 2; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; BVerfSchG § 4; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Gemeinnützigkeit der Vereinigung (V) in den Jahren 2009 bis 2015 (Streitzeitraum).

Die Klägerin ist ein beim Vereinsregister des Amtsgerichts A eingetragener Verein mit Sitz in A. Es handelt sich dabei um die Landesvereinigung einer überregional tätigen Organisation, die in verschiedene Bundes-, Landes- und Kreisvereinigungen untergliedert ist.

Nach den Satzungen der Klägerin ist sie ein überparteilicher, überkonfessioneller Zusammenschluss von … im Bundesland X.

Seinen Zweck umschreibt der Verein seiner Satzung zufolge wie folgt (…)

Die Klägerin wurde gemäß ihren Zwecken (Förderung der Wissenschaft und Forschung i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 AO, Völkerverständigung i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 AO) zunächst als gemeinnützig anerkannt und nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit.

Mit den Körperschaftsteuerbescheiden für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 jeweils vom xx.xx.2011 wurde der Klägerin die Gemeinnützigkeit unter Berufung auf § 51 Abs. 3 S. 2 AO aberkannt, da sie in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2006 bis 2009 als extremistische Organisation eingestuft worden sei. Mit Schreiben vom August 2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass eine Anerkennung der Steuerbegünstigung erst wieder erfolgen könne, wenn der Verein nicht mehr in den Verfassungsschutzberichten erwähnt werde. Zur Durchführung der Veranlagung der Jahre 2009 und 2010 wurden die Steuererklärungen angefordert. Mit Bescheid vom Dezember 2011 wurde die Körperschaftsteuer 2009 i.H.v. xx EUR und 2010 i.H.v. xx EUR festgesetzt.

Ausschlaggebend für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit war, dass die Klägerin in den Verfassungsschutzberichten des Landes X für die Jahre 2009 bis 2015 Erwähnung fand, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Klägerin wurde eine eigene Textziffer unter dem Abschnitt „Linksextremismus”, Unterabschnitt „Z Partei und Umfeld” gewidmet. Darin heißt es in allen Streitjahren, …

Ebenfalls in allen Berichten der Jahre 2009 bis 2015 des Landesverfassungsschutzes X wird festgestellt, dass …. Die Klägerin arbeite zudem mit offen linksextremistischen Kräften und (gewaltbereiten) autonomen Gruppen zusammen. ….Zum Beleg hierfür und für die staats- und verfassungsfeindliche Grundposition der Klägerin werden in den Berichten politische Äußerungen in Zeitungsinterviews und …zitiert.

Zudem ist die Klägerin in den Anhängen der Verfassungsschutzberichte 2013 bis 2015 ausgewiesen. In der hierin enthaltenen – mit „Extremistische Organisationen und Gruppierungen” überschriebenen – Übersicht sind die im jeweiligen Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen und Gruppierungen aufgeführt, bei denen – dem Einleitungssatz oberhalb der Übersicht zufolge – „die (dem Verfassungsschutz) vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Organisation/Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine verfassungsfeindliche Organisation/Gruppierung handelt”. In diesen Übersichten der Jahre 2013 bis 2015 ist die Klägerin explizit enthalten.

Auch in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2009 und 2010 ist die Klägerin in der „Übersicht über erwähnenswerte linksextremistische und linksextremistisch beeinflusste Organisationen sowie deren wesentliche Presseerzeugnisse” als eine Z-beeinflusste Organisation benannt. Ein erläuternder Einleitungssatz findet sich zu diesen Übersichten nicht.

Die Verfassungsschutzberichte der Jahre 2011 und 2012 enthalten keine derartige Übersicht bzw. keinen ve...

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