Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifbegünstigung des § 34 EStG bei einer auf den späteren Ausgleichsanspruch als Handelsvertreter anzurechnenden Entschädigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bekommt ein Handelsvertreter eine Einmalzahlung dafür, dass er aufgrund der schwierigen finanziellen Lage und auf Veranlassung seines Auftraggebers der rückwirkenden Absenkung seiner Provisionssätze ab einem bestimmten Stichtag zustimmt und klarstellt, dass damit zivilrechtlich kein gesetzlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB entsteht und dass er die zukünftige Entwertung seines zu diesem Zeitpunkt bestehenden Ausgleichsanspruchs als Handelsvertreter, der aus der Höhe der in der Zukunft sinkenden Provisionen berechnet wird, in Kauf nimmt, so stellt die Einmalzahlung eine steuerbegünstigte Entschädigung für entgehende Einnahmen i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG dar.

2. Allein der Umstand, dass eine frühere Entschädigungszahlung eine spätere Entschädigung für andere Zwecke mindert, steht der Anwendung des § 34 EStG nicht entgegen.

3. Ob eine Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt wird, ist grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien zu beurteilen. Dazu ist der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung, heranzuziehen. Wurde eine einheitliche Zahlung für mehrere Entschädigungszwecke geleistet, ist jeder Zweck steuerrechtlich für sich zu beurteilen und die Entschädigung ggf. aufzuteilen.

4. § 89b Abs. 4 S. 1 HGB schließt Vorauszahlungen auf den Ausgleichsanspruch nicht grundsätzlich aus. Der Anschein, dass eine solche Abrede der Gesetzesumgehung dient, verdichtet sich indes, falls der Handelsvertreter die Vorauszahlung auch dann behalten darf, wenn ihm später ein solcher Ausgleichsanspruch nicht oder nur in geringer Höhe zusteht.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a; HGB § 89b Abs. 1, 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2015; Aktenzeichen X R 12/13)

BFH (Urteil vom 27.10.2015; Aktenzeichen X R 12/13)

 

Tenor

1. Dem Beklagten wird aufgegeben, den Einkommensteuerbescheid 2004 … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dergestalt abzuändern, dass die in den gewerblichen Einkünften des Klägers enthaltenen Einnahmen in Höhe von … EUR bei der Steuerberechnung als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz behandelt werden. Das Ergebnis der Neuberechnung ist dem Kläger unverzüglich mitzuteilen. Nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Einkommensteuerbescheid 2004 mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger betreibt ein Einzelunternehmen, das die Handelsvertretung für … zum Gegenstand hat. Er schloss 1993 eine Vertriebsvereinbarung mit der Firma A, auf die verwiesen wird. Die Firma A beauftragte den Kläger mit der Vertriebsvereinbarung, ihre Produkte im Vertragsgebiet und – außerhalb des Vertragsgebiets – an namentlich aufgezählte Firmen zu vertreiben. Der Kläger sollte als Vertragshändler oder als Handelsvertreter tätig werden, worüber A im Einzelfall entscheiden konnte.

Gemäß § 9 der Vertriebsvereinbarung, der im Wortlaut zum großen Teil der gesetzlichen Regelung des § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) entspricht, stand dem Kläger als Handelsvertreter bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Ausgleichsanspruch zu. Nach § 15 war die Vertriebsvereinbarung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnte ohne wichtigen Grund mit einer Kündigungsfrist von achtzehn Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Das zwischen dem Kläger und A vereinbarte Alleinvertretungsrecht im Vertragsgebiet bestand in der Zeit zwischen Kündigung und Vertragsende nicht mehr.

In der Folgezeit verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Firma A. Auf Grund des hohen Preisdrucks vertrat A die Ansicht, dass die ursprünglich mit dem Kläger vereinbarten Provisionssätze wirtschaftlich nicht mehr tragbar seien. Nach Verhandlungen schlossen der Kläger und A am … eine Nachtragsvereinbarung zur Vertriebsvereinbarung, auf die verwiesen wird.

Mit der Nummer 1 des Nachtrags wurden die bisherigen Provisionssätze rückwirkend zum 1. Januar 2004 durch niedrigere Provisionssätze ersetzt. Nach der Nummer 2 des Nachtrags gingen der Kläger und A davon aus, dass die Senkung der Provisionssätze keine Ansprüche des Klägers im Sinne des § 89b HGB auslöst. Vorsorglich erklärte der Kläger ausdrücklich, dass er auf eventuelle Ansprüche verzichtet.

In der Nummer 3 des Nachtrags erklärte sich A „im Gegenzug” bereit, dem Kläger bereits jetzt einen Abschlag auf einen bei Beendigung des Handelsvertretervertrags nach § 9 der Vertriebsvereinbarung bzw. § 8...

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