rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für die umsatzsteuerliche Organschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine finanzielle Eingliederung i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist grundsätzlich die Stimmenmehrheit, also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft.

2. Da der Organträger unmittelbar oder mittelbar an der Organgesellschaft beteiligt sein muss, reicht es nicht aus, wenn mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über eine Anteilsmehrheit an einer Personengesellschaft und einer GmbH beteiligt sind.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2006 hat, weil sie Organgesellschaft im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit der H-OHG (OHG) als Organträgerin war.

Frau IH war im Streitjahr Alleingesellschafterin und Alleingeschäftsführerin der Klägerin. Außerdem war sie zusammen mit Herrn JH zu jeweils 50 % an der OHG beteiligt. Beide waren einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der OHG.

Die Klägerin erzielte im Rahmen der Unternehmensgruppe H im Streitjahr steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze aus dem Betrieb eines ambulanten Pflegedienstes in K. Mit Mietvertrag vom 29. Dezember 2005 mietete sie für den Betrieb des ambulanten Pflegedienstes von Herrn JH ab dem 1. Januar 2006 für die Dauer von zehn Jahren Räume im Anwesen X in K.

Die Klägerin gab für die Jahre 2005 bis 2008 Umsatzsteuererklärungen und für das Jahr 2009 Umsatzsteuervoranmeldungen ab, in denen sie jeweils sowohl steuerfreie Umsätze aus ambulanter Pflege nach § 4 Nr. 16 Buchst. e Umsatzsteuergesetz (UStG) als auch steuerpflichtige Umsätze aus Verpflegungs- und sonstigen Dienstleistungen zum allgemeinen Steuersatz erklärte. Mit der Umsatzsteuererklärung für 2006 vom 13. November 2007 meldete sie unter Berücksichtigung steuerpflichtiger Umsätze in Höhe von … EUR und steuerfreier Umsätze in Höhe von … EUR sowie abziehbarer Vorsteuerbeträge Höhe von … EUR eine zu zahlende Umsatzsteuer von … EUR an.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2010 stellte die Klägerin einen Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 2005 bis 2008, weil sie die Umsatzsteuererklärungen zu Unrecht abgegeben habe, da die von ihr erzielten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze der OHG als Organträgerin zuzurechnen seien und gab demzufolge für die Jahre 2010 und 2011 keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr ab.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung (vgl. Bericht vom 21. Juli 2010) lehnte das Finanzamt den Änderungsantrag mit Bescheid vom 26. Juli 2010 ab, weil zwischen der Klägerin und der OHG mangels finanzieller und organisatorischer Eingliederung der Klägerin in die OHG keine Organschaft vorliege. Den hiergegen betreffend das Streitjahr eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2011 als unbegründet zurück, weil es sowohl an der finanziellen als auch an der wirtschaftlichen Eingliederung fehle.

Mit der Klage wird im Wesentlichen vorgebracht, dass im Veranlagungszeitraum 2006 eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der OHG vorgelegen habe. Da die OHG über ihre 50%-ige Gesellschafterin IH über sämtliche Anteile an der Klägerin verfügt habe, sei eine finanzielle Eingliederung gegeben gewesen. Sie berufe sich im Rahmen der Begründung der umsatzsteuerlichen Organschaft nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben, sondern auf die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Änderung der Umsatzsteuerveranlagungen 2005 bis 2008 geltende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom 19. Mai 2005 V R 31/03 und vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06 zur Zulässigkeit der mittelbaren finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft über die Gesellschafter des Organträgers. Die Klägerin habe die von der Finanzverwaltung im Schreiben des BMF vom 5. Juli 2011 eingeräumte Übergangsregelung betreffend die finanzielle Eingliederung genutzt. Die umsatzsteuerliche Organschaft trete ohne Antrag des Steuerpflichtigen ein, sofern und sobald deren Voraussetzungen vorlägen.

Ebenso habe eine wirtschaftliche Eingliederung vorgelegen. Zum einen habe die Klägerin ihr Unternehmen in von JH angemieteten Räumen betrieben. Zum anderen liege aufgrund der Tatsache, dass die H Verwaltungs-GmbH, die ebenfalls als Organgesellschaft der OHG anzusehen sei, im ausdrücklichen Auftrag der OHG an die Klägerin und weitere Gesellschaften der H-Unternehmensgruppe, die alle im Eigentum der Familie H stünden, zentral in einem erheblichen Umfange Dienstleistungen erbringe, eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der OHG vor.

Im Übrigen habe das Finanzamt auch bei den anderen Gesellschaften der Unternehmensgru...

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