Entscheidungsstichwort (Thema)

Überdenkungsverfahren zur Steuerberaterprüfung: Chancengleichheit. Unbeachtlichkeit von Fehlern bei Nichterreichen einer zur Zulassung zur mündlichen Prüfung berechtigenden Gesamtnote. Anschluss des Erstprüfers an den Zweitprüfer. kein Anspruch auf Mindestbestehensquote. keine Benachteiligung durch Vergabe von Kennnummern für Prüfungsarbeiten. Spezialisierung eines Steuerberaters für Berufung in Prüfungsausschuss nicht nötig. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 15/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 24 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum Steuerberatungsgesetz (DVStB) – Bewertung der Aufsichtsarbeit durch mindestens zwei Prüfer – verstößt nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit oder gegen Art. 12 Abs 1 GG.

2. Bei einem Verfahrensfehler im außergerichtlichen Überdenkungsverfahren der Steuerberaterprüfung kann der Prüfling nur dann die Aufhebung der negativen Prüfungsentscheidung verlangen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Fehler auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, er also (wenigstens) möglicherweise von Einfluss auf das Prüfungsergebnis gewesen ist. Fehler bei der Vergabe von Wertungspunkten im Überdenkungsverfahren sind daher unerheblich, wenn sich auch bei richtiger Bepunktung und ggf. einer besseren Note in einer oder mehreren Aufsichtsarbeiten eine Gesamtnote ergibt, die weiterhin über der – für die Zulassung zur mündlichen Prüfung maßgeblichen – Schwelle von 4,5 liegt (vgl. Ausführungen zum prüferspezifischen Entscheidungsspielraum sowie zum prüferischen Ermessen bei der Bepunktung; keine Verpflichtung zum einheitlichen Gebrauch der Korrekturbögen).

3. Wird dem Zweitkorrektor die Bewertung des Erstprüfers mitgeteilt (offenes Bewertungsverfahren), so kann aus der Tatsache, dass der Zweitkorrektor sich der Bewertung des Erstkorrektors anschließt (z. B. durch bloßes Abhaken der Bewertungsschritte des Erstkorrektors oder durch ein allgemeines („Einverstanden”) nicht gefolgert werden, er habe die Arbeit nicht selbstständig begutachtet. Selbst der Umstand, dass der Zweitkorrektor die eigens für seine Korrektur vorgesehene Spalte sowie einen Korrekturbogen (teilweise) nicht ausfüllt, lässt nicht den Schluss zu, er habe keine eigenständige Bewertung vorgenommen. Die Möglichkeit des Zweitprüfers, sich der Meinung des Erstprüfers anzuschließen, gilt auch für das Überdenkungsverfahren; ein Anspruch auf eine sogenannte verdeckte Bewertung der schriftlichen Steuerbeaterprüfung im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren besteht nicht (vgl. FG München, Urteil v. 18.4.2012, 4 K 309/09, EFG 2012 S. 1602).

4. Pauschal geltend gemachte formale Mängel (Durchfallquote, Prüfungsstoff) können nicht die Rechtswidrigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Steuerberaterprüfung begründen. Weder das Steuerberatungsgesetz noch Art. 3 Abs. 1 GG sehen eine Mindestbestehensquote bei der Steuerberaterprüfung vor. Insbesondere verlangt der Grundsatz der Chancengleichheit nicht, dass der Schwierigkeitsgrad einer Prüfung tatsächlich stets der gleiche ist oder dass stets eine in etwa gleiche Misserfolgsquote erzielt wird.

5. Wenn es schon nicht zu beanstanden ist, dass Aufsichtsarbeiten zur Steuerberaterprüfung nicht anonym, sondern mit Namensnennung der Prüflinge geschrieben und bewertet werden (vgl. FG Hamburg, Urteil v. 24.10.2018, 1 K 24/16, EFG 2020 S. 938), ist umso weniger ersichtlich, dass eine Anonymisierung der Prüfungsaufgaben mittels der Vergabe von Kennnummern den Prüfling benachteiligen könnte.

6. Im Hinblick auf die Berufung eines Steuerberaters in den Prüfungsausschuss ist eine Spezialisierung auf konkrete Steuerrechtsgebiete für Steuerberater weder vorgeschrieben noch erforderlich.

 

Normenkette

StBerG § 35 Abs. 1, § 37; DVStB § 18 Abs. 1 S. 4, § 24 Abs. 2 Sätze 1-2, § 25 Abs. 2, § 29 S. 1, § 37b Abs. 4-5; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.11.2023; Aktenzeichen VII R 15/21)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 5. Januar 2018 über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2017.

Die vorliegende Steuerberaterprüfung 2017 ist der dritte Versuch der Klägerin die Steuerberaterprüfung zu bestehen. Im Rahmen der Steuerberaterprüfungen 2011 und 2012 hatte die Klägerin im schriftlichen Prüfungsteil die Gesamtnoten 5,33 bzw. 5,5 erzielt und war damit in den beiden Prüfungen von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen.

Mit Bescheid vom 5. Januar 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, sie habe nach dem Ergebnis der schriftlichen Prüfung die Gesamtnote 4,83 erzielt und somit die Steuerberaterprüfung 2017 nicht bestanden. Für die Verfahrensrechtsklausur erhielt sie die Note 5,0, für die Ertragssteuerklausur erhielt sie ebenfalls die Note 5,0, und für die Aufgabe aus dem Gebiet der Buchführung und des Bilanzwesens erhielt sie die Note 4,5.

Die Klägerin beantragte in Bezug auf die beiden Au...

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