Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung der Umsätze eines Seniorenwohnheims nur bei Kostenübernahme durch den Sozialversicherungsträger

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vorschrift des § 14 Nr. 16 Buchst. d UStG zur Steuerbefreiung der Umsätze aus Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen setzt voraus, dass eine Kostenübernahme des Sozialversicherungsträgers stattgefunden hat.

2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG nicht erfüllt, da nicht 40 % der von der Klägerin erbrachten Leistungen den im Gesetz genannten Personenkreis zugute gekommen ist. Unstreitig sind weniger als 40 % der Bewohnern des Seniorenstifts vom Medizinischen Dienst eine Pflegestufe zuerkannt (§ 15 SGB XI). Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht vor.

3. Die tatbestandliche Einschränkung der Steuerbefreiung ist insoweit von der Ermächtigung in Art. 13 Abschn. A Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 16 Buchst. d; EWGRL 388/77 Art. 13 Abschn. A Abs. 2 Buchst. a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.03.2013; Aktenzeichen XI R 45/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die von der Klägerin getätigten Umsätze aus dem Betrieb eines Altenwohnheims von der Umsatzsteuer befreit sind.

Die Klägerin betreibt ein Senioren-Wohnstift, das im Streitjahr als gemeinnützige Körperschaft anerkannt worden ist.

Laut Jahresabschlussbericht zum 31. Dezember 2001 ging die Klägerin davon aus, dass sie gemäß § 4 Nr. 16 d des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) von der Umsatzsteuer befreit sei und reichte daher für das Streitjahr keine Umsatzsteuererklärung ein.

Aufgrund einer für die Jahre 1999 bis 2001 durchgeführten Außenprüfung traf das Finanzamt (FA) folgende Feststellungen: Bei den von der Klägerin angebotenen Wohnungen handelte es sich jeweils um eine abgeschlossene unmöblierte Wohnung mit eingebauten Küchenelementen, die über eine eigene Klingel, ein Namensschild, eigenen Telefonanschluss, Briefkasten und Kelleranteil verfügten. Diese Wohnungen wurden den jeweiligen Bewohnern auf Grundlage eines so genannten Heimvertrages (HV) nebst weiteren Grundleistungen überlassen (vgl. Bl. 206 ff Betriebsprüfungsakte HA II). Zu diesen Grundleistungen gehörte die Überlassung eines Telefons, einer Notruf- und Pflegebereitschaft rund um die Uhr, die regelmäßige Grundreinigung der Wohnung, die Vorhaltung der Gemeinschaftsräume und – anlagen (Bibliothek, Gymnastikraum, Kapelle, Seelsorge, Hallenbad), ein tägliches Mittagessen im Speisesaal einschließlich Bedienung sowie die Betreuung und Pflege im Krankheitsund Pflegefall bis zu einer Gesamtdauer von 14 Tagen pro Jahr. Bei darüber hinaus gehender Dauer war für die in Anspruch genommenen Pflegeleistungen ein gesondertes Entgelt zu entrichten. Gemäß § 2 Abs. 5 HV verpflichtete sich der Bewohner, die Pflegeeinrichtung des Wohnstifts in Anspruch zu nehmen, wenn er Anspruch auf Leistungen einer Pflegekasse hat, der Heimvertrag wurde dann in einen Pflegevertrag umgewandelt. Die von der Klägerin erbrachte ambulante Pflege wurde dabei als Sachleistung behandelt. Soweit Pflegevergütung von der Pflegekasse gewährt werde, erfolgte die Abrechnung der Klägerin gegenüber dieser, im Übrigen direkt mit den Bewohnern des Wohnstifts.

Insgesamt standen im Streitjahr 302 Wohnungen sowie weitere 10 Zimmer in der Pflegestation zur Verfügung. Laut der dem Gesundheitsamt als Heimaufsicht vorgelegten Meldungen, wurde regelmäßig etwa 10 bis 20 Bewohnern eine Pflegestufe zuerkannt.

Auf Anfrage des FA legte die Klägerin eine jeweils inhaltsgleiche ärztliche Bescheinigung vor, in der unter Angabe der Diagnose des Heimbewohners die Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 68 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bestätigt wurde. Das FA vertrat die Auffassung, dass diese – teilweise erst nachträglich erstellten – Bescheinigungen, nicht geeignet seien, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 d 1. Alternative UStG nachzuweisen und behandelte daraufhin Pflegeerlöse einschließlich Verpflegung und diverser Nebenumsätze als steuerpflichtig. Die von der Klägerin vereinnahmten Zinserträge und die Erlöse aus der Vermietung der Wohnungen wurden gemäß § 4 Nr. 12 a UStG als steuerfrei behandelt. Die Höhe der steuerpflichtigen Leistungen wurde anhand des Jahresabschlussberichts zum 31. Dezember 2001 ermittelt und gemäß § 12 Nr. 8 a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Darüber hinaus nahm das FA eine Schätzung von Vorsteuern anhand der eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung vor.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2005 wurde die Umsatzsteuer auf 119.446,99 EUR festgesetzt.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte überwiegend keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 22. Dezember 2006 setzte das FA die Umsatzsteuer auf 97.520,75 EUR fest, da es bisher als steuerpflichtig behandelte Erlöse aus der Vermietung eines Ladensgeschäfts nunmehr als steuerfrei gemäß § 4 Nr. ...

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