Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung materieller Fehler

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erfasst auch die Fälle, in denen ein bestimmter Sachverhalt, der in einem Steuerbescheid (Folgebescheid) zu regeln ist, zunächst in einem Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) berücksichtigt war und durch dessen Aufhebung oder Änderung aus der bis dahin bestehenden Bindungswirkung entlassen wird.

2. Ein Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO ist entbehrlich, wenn sich die verbösernde Änderung des Steuerbescheids durch eine Zurücknahme des Einspruchs nicht verhindern ließe.

3. Auch wenn die Korrektur materieller Fehler zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nur deshalb möglich ist, weil zunächst ein materiell-rechtlich fehlerhafter Feststellungsbescheid erging, ist keine Saldierung der Korrekturrahmen zeitlich nachfolgender Grundlagenbescheide vorzunehmen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Feststellungsbescheid auf Einspruch hin korrigiert wurde und gleichzeitig neben der Anfechtung des Feststellungsbescheids Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung als Folgeänderung erhoben worden ist.

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 177 Abs. 2, § 367 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.06.2012; Aktenzeichen VIII R 41/09)

BFH (Urteil vom 27.03.2012; Aktenzeichen VIII R 27/09)

BFH (Urteil vom 27.03.2012; Aktenzeichen VIII R 27/09)

 

Tenor

1. In Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 2. Januar 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 26. März 2007 wird die Einkommensteuer 1999 auf 60.399,93 EUR (118.132 DM) festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 95/100, der Beklagte zu 5/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Zuschläge für die Tätigkeit des Klägers an Sonn- und Feiertagen steuerfrei oder als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln sind.

Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 1997 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in den Streitjahren zu 51 % an der … GmbH (GmbH) beteiligt. Gleichzeitig war er auch Geschäftsführer. Laut Anstellungsvertrag vom 12. September 1989 hatte der Kläger in den Streitjahren neben einem Festgehalt i.H.v. monatlich 4.400 DM auch Anspruch auf eine erfolgsabhängige Gewinntantieme. In der Gesellschafterversammlung vom 15. April 1997 wurde die monatliche Tätigkeitsvergütung auf 9.500 DM erhöht.

Anlässlich einer Gesellschafterversammlung wurde laut einem Gesellschafterprotokoll vom 5. Dezember 1995 beschlossen, dass der Kläger für die Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen steuerfreie Zuschläge gemäß „§ 3 b EStG, Abschn. 30 LStR” erhalten solle. Konkrete Angaben zur Berechnung der zu zahlenden Zuschläge waren im Protokoll nicht enthalten. Eine Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit für die Geschäftsführertätigkeit des Klägers erfolgte im Anstellungsvertrag nicht.

Die bei der GmbH angestellte Klägerin erhielt nach dem mit ihr geschlossenen Anstellungsvertrag vom 1. März 1994 neben einem monatlichen Festgehalt sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit. Die wöchentliche Arbeitszeit war vertraglich festgelegt. Daneben war die Klägerin verpflichtet, zweimal monatlich Telefonbereitschaft an Wochenenden und Feiertagen zu leisten, die gesondert zu vergüten waren. Während des Urlaubs oder bei Krankheitsabwesenheit des Geschäftführers der GmbH war die Klägerin zum Bereitschaftsdienst an allen Wochenenden oder Feiertagen während der Dauer der Abwesenheit verpflichtet. Mit dem zweiten Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 1. Mai 1997 wurde das Entgelt von 2.700 DM auf 3.500 DM erhöht. Einen Anspruch auf Gewinntantieme besaß die Klägerin lt. Anstellungsvertrag nicht. Hinsichtlich der Vergütung der Angestellten wird auf die mit Schriftsatz vom 20. April 2009 eingereichten Unterlagen verwiesen.

Der Beklagte (das Finanzamt) änderte jeweils mit Bescheid vom 14. November 2002 die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1997 und 1998 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) aufgrund von geänderten Feststellungsbescheiden für die Beteiligung des Klägers an der Grundstücksgemeinschaft … (Grundstücksgemeinschaft) und erhöhte die festgesetzte Einkommensteuer 1997 von 43.386 DM auf 56.990 DM (29.138,52 EUR) bzw. die festgesetzte Einkommensteuer 1998 von 72.712 DM auf 126.275 DM (64.563,38 EUR). Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GmbH und der Grundstücksgemeinschaft war der Prüfer u.a. zu dem Ergebnis gekommen, dass die gezahlten Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit an den Kläger durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit als vGA zu behandeln seien. Da zu diesem Zei...

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