Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagung beschränkt steuerpflichtiger EU-Bürger und Ermittlung der Welteinkünfte

 

Leitsatz (redaktionell)

Zusammenveranlagung von Ehegatten (österreichische Staatsbürger) mit Wohnsitz in Österreich, von denen der Ehemann in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt und die Ehefrau die Erwerbstätigkeit in Österreich ausübt: Die Rechtsansicht des EuGH im Fall Meindl (Urteil v. 25.1.2007, Rs. C-329/05), wonach es Art. 52 EGV verbiete, einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen von dem Staat, in dem er wohnt, die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer mit seinem Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt und der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, mit der Begründung zu versagen, dieser habe in dem anderen Mitgliedstaat sowohl mehr als 10 % der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24.000 DM (jetzt: 12.272 EUR) erzielt, sofern die Einkünfte, die der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat erzielt, dort nicht der Einkommensteuer unterliegen, ist auch auf die Fälle anzuwenden, in denen der Steuerpflichtige zwar kein Gebietsansässiger ist, aber die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG gewählt hat. § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG kann in einem solchen Fall unter Beachtung der EuGH-Rechtsprechung europarechtskonform nur dahingehend ausgelegt werden, dass die von den Ehegatten in Österreich erzielten Einkünfte nicht nach dem deutschen, sondern nach dem österreichischen EStG zu ermitteln sind.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2, §§ 26, 26b; EGV Art. 52, 48; EG Art. 43, 39

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.08.2008; Aktenzeichen I R 78/07)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2005 und des Einkommensteuerbescheides für 2003 vom 4. Januar 2005 wird der Beklagte verpflichtet, die Kläger zur Einkommensteuer 2003 zusammen zu veranlagen und die Einkommensteuer unter Anwendung der Splitting-Tabelle festzusetzen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht eine Zusammenveranlagung des unbeschränkt steuerpflichtigen Klägers nach den §§ 26, 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit seiner in Österreich lebenden und dort berufstätigen Ehefrau wegen Fehlens der Voraussetzungen der §§ 1a Abs. 1 Nr. 2; 1 Abs. 3 EStG abgelehnt hat.

Die Kläger sind Eheleute mit Wohnsitz in K./Österreich. Sie besitzen beide die österreichische Staatsangehörigkeit. Der Kläger war im Streitjahr in M. beruflich tätig und erzielte dort Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 25.371 EUR. Außerdem hatte er noch in Österreich der Besteuerung unterliegende sonstige Einkünfte in Höhe von 288 EUR. Die Klägerin übte eine Erwerbstätigkeit in ihrem Heimatland Österreich aus. Ausweislich der dem Beklagten (Finanzamt) vorgelegten Bescheinigung EU/EWR der Steuerbehörde K./Österreich beliefen sich die Einkünfte der Klägerin, die in Österreich der Besteuerung unterlagen, auf 12.697 EUR. Diese Einkünfte der Klägerin wurden entsprechend dem österreichischen Einkommensteuergesetz lediglich mit einem Betrag von 10.775,52 EUR zur Einkommensteuer herangezogen (vgl. Angaben des Finanzamts K. in dem ebenfalls dem Finanzamt vorgelegten Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2003 vom 24.6.2004. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 2003 beantragten die Kläger beim Finanzamt die Zusammenveranlagung. Das Finanzamt erließ entgegen diesem Antrag am 4.1.2005 nur einen Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Kläger. Darin ergab sich bei einem zu versteuernden Einkommen von 23.334 EUR vor Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen eine nach der Grundtabelle festgesetzte Einkommensteuer von 4.310 EUR. Die Ablehnung einer Zusammenveranlagung – und damit Anwendung der Splittingtabelle – begründete das Finanzamt in den Erläuterungen zur Steuerfestsetzung damit, dass die Voraussetzungen des § 1a EStG nicht erfüllt seien, weil die Kläger das gemeinsame Familieneinkommen nicht zu mindestens 90 % aus Deutschland bezogen hätten.

Der dagegen rechtzeitig eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4.4.2005).

Hiergegen richtet sich die am 6.5.2005 beim Gericht eingegangene Klage, mit der sinngemäß begehrt wird,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2005 und des Einkommensteuerbescheids für 2003 vom 4. Januar 2005 den Beklagten zu verpflichten, die Kläger unter Anwendung der Splittingtabelle zur Einkommensteuer 2003 zu veranlagen.

Zur Begründung lassen die Kläger vortragen, das Finanzamt habe zu Unrecht die Anwendung der Splittingtabelle im Streitfall versagt. Die Voraussetzungen des § 26 EStG hierfür seien nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ...

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