Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für zum Heizen bestimmte und verwendete Holzhackschnitzel als „Brennholz”. Betreiben einer Hackschnitzelheizungsanlage einschließlich Wartung und Reinigung für eine Kommune als einheitliche und dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Größe, Länge und Feuchtigkeitsgrad zum Heizen bestimmte und geeignete Holzhackschnitzel, die tatsächlich auch zum Heizen ausgeliefert und verwendet worden sind, unterliegen als Brennholz in „ähnlicher Form” i. S. d. Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Sollte es sich bei Hackschnitzeln nicht um eine ähnliche Form i. S. d. Unterposition 4401 10 00 KN handeln, ist zumindest § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Nr. 48 Buchst a der Anlage 2 UStG dahingehend unionsrechtskonform auszulegen, dass Brennholz jedenfalls in der Form als Hackschnitzel hiervon erfasst wird.

2. Auch wenn in der seit 1.1.2014 anzuwendenden Fassung des Zolltarifs die – in Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG in Bezug genommene – Unterposition 4401 30 KN nicht mehr ausdrücklich erscheint und die in der Anlage bezeichneten Waren –”Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst” seitdem auf der gleichen Gliederungsebene in den Unterpositionen 4401 31 00 bis 4401 39 80 KN untergebracht sind, ist davon auszugehen, dass die Steuerermäßigung nach wie vor den gleichen Warenkreis erfasst.

3. Eine selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Brennholz außer in Form von Hackschnitzeln widerspricht dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, in dem der Grundsatz der Gleichbehandlung im Mehrwertsteuerbereich zum Ausdruck kommt.

4. Übernimmt der Unternehmer die Beheizung verschiedener gemeindlicher Objekte durch das Betreiben einer Hackschnitzelheizungsanlage einschließlich Wartung und Reinigung, so erbringt er an die Gemeinde eine wirtschaftlich einheitliche und dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 1, 9, § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1; UStG Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a, b; MwStSystRL Art. 98 Abs. 1-3, Art. 122; KN Unterpos. 4401 10 00

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.04.2022; Aktenzeichen V R 2/22 (V R 6/18))

BFH (Beschluss vom 10.06.2020; Aktenzeichen V R 6/18)

 

Tenor

1. Unter Änderung der als Steuerfestsetzung geltenden Steueranmeldung vom 6. März 2017 wird die Umsatzsteuer für 2015 i.H.v. 55.962,31 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin handelte im Streitjahr mit Holzhackschnitzeln und Pellets und betrieb Hackschnitzel-Heizanlagen. Insbesondere produzierte und vertrieb sie technisch getrocknete Holzhackschnitzel unter den geschützten Bezeichnungen „X weiß” und „X natur”. Diese werden aus Holz gewonnen, das bei der Holzverarbeitung und der Waldbewirtschaftung anfällt. Die streitgegenständlichen Hackschnitzel sind getrocknet worden und ausschließlich für Brennzwecke hergestellt und geliefert.

X weiß bestehen aus dem bei der Zerlegung von Baumstämmen anfallenden Sägerestholz, das mittels mit Hackmessern ausgestatteten Häckslern zu Holzhackschnitzeln zerkleinert wird.

Die Unverbindliche Zolltarifauskunft vom 30. November 2012 reihte X weiß zolltariflich in die Codenummer 4401 2200 00 0 „Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln”, Steuersatz: 19 %) ein.

X natur werden aus Wipfelholz oder Schwachholz bei der Waldpflege gewonnen. Das Waldrestholz wird im Wald mechanisch zerhackt. Die Klägerin siebt das angelieferte Waldrestholz, um überlange Teile, Sand, Blätter und Nadeln auszusortieren, und trocknet es.

Über die Abluft werden beim Trocknungsvorgang Feinanteile abgesondert, die in einem weiteren Verarbeitungsprozess zu sogenannten P gepresst werden.

Die Unverbindliche Zolltarifauskunft vom 11. Februar 2014 reihte X natur zolltariflich in die Codenummer 4401 2200 00 0 „Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln”, Steuersatz: 19 %) ein.

Soweit die Klägerin auch zusätzlich den Betrieb einer Heizanlage anbot, kalkulierte sie die Betriebsführungskosten grundsätzlich mit 4 % (bei X weiß) und 7 % (bei X natur) des erwarteten Umsatzerlöses. Diese Kalkulation konnte bei Sonderbedingungen des Kunden bzw. Abweichungen von der erwarteten Bezugsmenge variieren.

Am 14. Dezember 2015 lieferte die Klägerin 8,42 to X natur an die Gemeinde D und stellte am 31. Dezember 2015 dafür 1.675,58 EUR zuzüglich 7 % Umsatzsteuer (117,29 EUR) in Rechnung.

Das Pfarramt O wurde von der Klägerin im Dezember 2015 mit X weiß mit einem vereinbarten Wassergehalt von weniger als 15 % beliefert. Außerde...

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