Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine tarifliche Erhöhung der Einkommensteuer um das deutsche Kindergeld bei Unterhaltspflicht nach norwegischem Recht. Kinderfreibetrag und Kindergeldanspruch für in Norwegen beim anderen Elternteil lebendes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Unterhaltspflicht nach norwegischem Recht wird hinsichtlich der Höhe des geschuldeten Unterhalts anders als nach § 1612b BGB kein Ausgleichsanspruch hinsichtlich des hälftigen Kindergeldes berücksichtigt, so dass ein in Deutschland wohnender Elternteil, der weder in Deutschland noch in Norwegen Kindergeld erhalten hat, für das beim anderen Elternteil in Norwegen lebende Kind einen (nicht nach § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG 1997 gekürzten) Kinderfreibetrag erhält, ohne dass die tarifliche Einkommensteuer nach § 31 Satz 5 EStG 1997 um das deutsche Kindergeld erhöht werden müsste.

2. Werden die norwegischen Unterhaltsvorschriften dem Finanzamt erst nachträglich bekannt, stellt dies eine neue Tatsache i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, die zur Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide berechtigt, in denen Kindergeld nach § 31 Satz 5 EStG 1997 für das in Norwegen lebende Kind hinzugerechnet worden ist. Einem steuerlich nicht kundigen Elternteil kann insoweit kein eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließendes grobes Verschulden angelastet werden.

3. Das der Kindesmutter in Norwegen zustehende Kindergeld ist eine dem (deutschen) Kindergeld vergleichbare Leistung im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG 1997 § 31 Sätze 4-5, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Sätze 1, 4, § 36 Abs. 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 1612b Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.06.2012; Aktenzeichen III R 86/09)

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 25.10.2005 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer der Kläger für 1998 auf 189.230,15 EUR herabgesetzt wird.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 25.10.2005 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer der Kläger für 1999 auf 172.816,14 EUR herabgesetzt wird.

3. Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 25.10.2005 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer der Kläger für 2000 auf 204.716,16 EUR herabgesetzt wird.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu ⅔ und der Beklagte zu ⅓.

6. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die tarifliche Einkommensteuer der Kläger für die Streitjahre wegen des in Norwegen lebenden minderjährigen Sohnes des Klägers zu 1) zu Recht um einen Betrag in Höhe des in § 66 Abs. 1 Einkommensteuergesetz in der jeweils für die Streitjahre geltenden Fassung vorgesehenen Kindergelds erhöht hat.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden mit ihren Einkünften für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger zu 1) bezahlte in den Streitjahren nach norwegischem Recht Unterhalt für seinen im Jahr 1994 geborenen nichtehelichen Sohn P, der bei seiner Mutter in Norwegen lebte. Der Beklagte (das Finanzamt) ließ bei der Ermittlung des Einkommens der Kläger für die Streitjahre 1998 und 1999 im Hinblick auf den genannten Sachverhalt jeweils einen doppelten Kinderfreibetrag in Höhe von 6.912 DM bzw. für das Streitjahr 2000 einen doppelten Kinderfreibetrag sowie einen doppelten Betreuungsfreibetrag von 9.936 DM (2000) zum Abzug zu, erhöhte die tarifliche Einkommensteuer der Kläger um einen Kindergeldbetrag von 2.640 DM (1998), von 3.000 DM (1999) bzw. von 3.240 DM (2000) und setzte die Einkommensteuer der Kläger dementsprechend mit Bescheiden vom 26.10.2000 (1998), vom 12.07.2001 (1999) und vom 5.09.2002 (2000) fest. Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1998 legten die Kläger Einspruch ein und wandten sich gegen die Zurechnung des Kindergeldes mit der Begründung, der Kläger zu 1) habe für seinen Sohn P keines erhalten. Diesen Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2001 als unbegründet zurück. Klage hiergegen wurde nicht erhoben. Der Einkommensteuerbescheid für 1999 blieb unangefochten. Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2000 legten die Kläger aus anderen Gründen Einspruch ein, dem das Finanzamt mit geändertem Bescheid vom 14.10.2002 in der Sache abhalf. Das diesbezügliche Einspruchsverfahren war damit abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 27.12.2002 beantragten die Kläger beim Finanzamt u.a. betreffend die Streitjahre die Änderung der bis dahin jeweils festgesetzten Einkommensteuer mit der Maßgabe der Herabsetzung um die Höhe des jeweils zugerechneten Kindergeldes. Ihren Antrag stützten sie dabei auf ein Schreiben der norwegischen Behörde „Folketrygdkontoret for uterlands...

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