Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für schwerbehindertes Kind. Anrechnung von Sozialhilfe zum notwendigen Lebensbedarf des Kindes. Kindergeld ab 1.1.1997 für … M. geb. 24.3.63

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der notwendige Lebensbedarf eines schwerbehinderten Kindes setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Bei Kindern, die nicht vollstationär untergebracht sind, bemisst sich der behinderungsbedingte Mehrbedarf –soweit kein Einzelnachweis erfolgt– in Anlehnung an den Behindertenpauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG.

2. Sozialhilfeleistungen in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt sind insoweit als Bezüge des Kindes anzurechnen, wie der Sozialhilfeträger von einer Rückforderung gegenüber den gesetzlich unterhaltspflichtigen abgesehen hat.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 33b Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.11.2004; Aktenzeichen VIII R 22/04)

BFH (Urteil vom 17.11.2004; Aktenzeichen VIII R 22/04)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das körperbehinderte Kind M. i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und für es deshalb ein Kindergeldanspruch besteht.

M., geboren am 24. März 1963, ist 80 % körperbehindert und kann deshalb einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen. M. bezieht von der Klägerin seit Jahren Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen. Außerdem erhält er Pflegegeld der Pflegestufe I in Höhe von 400 DM monatlich.

Bis 31. Dezember 1996 hatte die Klägerin bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt das der Mutter von M. gewährte Kindergeld abgezogen. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1996 gegenüber der Mutter hat das beklagte Arbeitsamt – Familienkasse – (FK) die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab 1. Januar 1997 aufgehoben mit der Begründung, dass der notwendige Lebensbedarf des Kindes durch die Sozialhilfe abgedeckt sei. Dagegen legte die Mutter Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 1997 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Die Klägerin setzte nach Einstellung der Kindergeldzahlungen die Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Januar 1997 ohne Anrechnung von Kindergeld fest. Gleichzeitig stellte die Klägerin bei der FK Beklagten einen Erstattungsanspruch auf Kindergeld nach § 104 Sozialgesetzbuch (SGB) X ab 1. Januar 1997. Die Klägerin verpflichtete die Mutter von M. ab 1. April 1997 einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 220 DM zu leisten.

M. erhielt von der Klägerin im Jahr 1997 folgende monatliche Leistungen:

Hilfe zum Lebensunterhalt

Hilfe für besondere Lebenslagen

Wohngeld

Summe

monatlich

monatlich

monatlich

DM

DM

DM

DM

Januar–Februar 1997

1.338,61

110

239

3.375,22

März-April 1997

1.402,62

110

285

3.595,24

Mai-Juni 1997

1.409,62

110

285

3.609,24

Juli – Dezember 1997

1.433,80

110

296

11.038,80

Gesamtbetrag 1997

16.904,50

1.320

3.394

21.618,50

Am 7. Juli 1997 stellte die Mutter einen neuen Kindergeldantrag unter Verweis auf die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung. Den Antrag lehnte die FK mit Bescheid vom 20. Oktober 1997 ab. Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Die FK wies den Einspruch der Klägerin als unzulässig zurück (Einspruchsentscheidung vom 17. September 1998).

Mit an die FK gerichtetem Schreiben vom 27. Oktober 1998 leitete die Klägerin den behaupteten Kindergeldanspruch der Mutter gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) auf sich über.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Festsetzung von Kindergeld für M. ab Januar 1997. Sie vertritt die Auffasung, das Kind sei i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG außerstande, sich selbst zu unterhalten. Die Sozialhilfeleistungen dürften nicht als eigenes Einkommen oder als Bezüge angesetzt werden, wenn wie im Streitfall das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG an den Sozialleistungsträger abgezweigt werde, dieser einen Erstattungsantrag nach § 74 Abs. 5 EStG i.V.m. § 104 SGB X stelle oder zur Vereinfachung das Kindergeld auf seine Leistungen anrechne.

Am 19. März 2002 erließ die FK gegenüber der Klägerin unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. September 1998 eine neue Einspruchsentscheidung. In der neuen Einspruchsentscheidung wurde der Einspruch der Klägerin nunmehr als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20. Oktober 1997 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19. März 2002 den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für M. ab Januar 1997 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Zwar sei die Klagebefugnis nach der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Januar 2001 VI R 181/97, Bundessteuer...

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