Entscheidungsstichwort (Thema)

Auch bei Verdacht auf Steuerhinterziehung bzw. Untreue des früheren Betreuers der Erblasserin kein Anspruch eines Miterben auf Einsicht in die Grunderwerbsteuerakte betreffend einen vom Betreuer als Vertreter der Erblasserin vorgenommenen Grundstücksverkauf

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die AO 1977 enthält keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren besteht. Der Steuerpflichtige hat jedoch ein Recht darauf, dass die Finanzbehörde über seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, weil sie nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren.

2. Hat die Erblasserin vertreten durch ihren Betreuer ein Grundstück verkauft und der Erwerber die festgesetzte Grunderwerbsteuer vollständig bezahlt, so steht einem Miterben ungeachtet dessen, dass die Erblasserin hinsichtlich der Grunderwerbsteuer gesamtschuldnerische Steuerschuldnerin i. S. d. § 13 Nr. 1 GrESG gewesen ist, kein Anspruch auf Einsicht in die Grunderwerbsteuerakte oder Übersendung einer Kopie des Grunderwerbsteuerbescheids zu. Das gilt auch dann, wenn der Miterbe den Verdacht hat, dass in Bezug auf den Grundstückserwerb möglicherweise nicht die tatsächlich erbrachte Gegenleistung notariell beurkundet worden ist und deswegen eine Steuerhinterziehung sowie der Tatbestand der Untreue seitens des Betreuers der Erblasserin vorliegen könnten.

 

Normenkette

AO § 91 Abs. 1, § 78 Nrn. 1-2, §§ 5, 30 Abs. 4, §§ 44, 370; FGO § 102 S. 1; GrEStG § 13 Nr. 1; StGB § 266

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Bestehen der Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Auskunft über einen grunderwerbsteuerrechtlichen Sachverhalt.

Mit Urkunde des Notars … vom 7. Oktober 2009 (URNr. …) verkaufte die zwischenzeitlich am 28. Juni 2010 verstorbene M, damals vertreten durch ihren Betreuer A das ihr gehörende Grünlandgrundstück in L mit der Flurnummer … an J aus L zu einem Kaufpreis von 6.000 EUR. Durch Grunderwerbsteuerbescheid vom 9. Februar 2010 setzte der Beklagte auf der Grundlage der notariell beurkundeten Gegenleistung die Grunderwerbsteuer gegenüber dem Erwerber fest. Mit Schreiben vom 29. September 2011 wandte sich der Kläger erstmals mit dem Ersuchen an den Beklagten, ihm darüber Auskunft zu geben, ob außer dem vereinbarten Kaufpreis noch weitere Gegenleistungen beim Beklagten angegeben oder steuerrechtlich erfasst worden wären. Im Laufe der weiteren Korrespondenz zwischen den Beteiligten erklärte der Kläger, Gesamtrechtsnachfolger der M geworden zu sein und legte einen Erbschein des Amtsgerichts K vom 9. Februar 2011 beim Beklagten vor, der ihn als Miterben zu einem Erbteil von 1/6 neben weiteren insgesamt 11 Miterben auswies. Dabei wiederholte er sein Auskunftsersuchen unter Bezugnahme auf seine Erbenstellung nach M und verlangte vom Beklagten außerdem die Übersendung einer Abschrift des Grunderwerbsteuerbescheides. Dies lehnte der Beklagte mit dem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 21. Februar 2014 ab. In seiner Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Grunderwerbsteuerschuld noch zu Lebzeiten der M vom Erwerber vollständig bezahlt worden war, deswegen kein Gesamtschuldverhältnis mehr bestünde und die Auskunft wegen des Steuergeheimnisses nicht erteilt werden könnte. Der Einspruch des Klägers mit Schreiben vom 19. März 2014, dessen Eingang beim Beklagten mit Frühleerungsstempel für den 21. März 2014 versehen wurde, blieb in der Sache erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18. September 2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 erhobene, und zwei Tage später bei Gericht eingegangene Klage, die der Kläger wie folgt begründet:

Aus rechtsstaatlichen Erwägungen wäre es nicht tragbar, wenn der Beklagte eine etwaige Handlung zum Nachteil des dem Betreuer der M anvertrauten Vermögens und zum Vorteil des Betreuers decken würde. Im Übrigen ergebe sich sein Auskunftsanspruch als Steuerschuldner – unabhängig von den übrigen Steuerschuldnern – allein schon aus der Vorschrift des § 155 der Abgabenordnung (AO), die eine Sondervorschrift zur Regelung des Steuergeheimnisses darstelle.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten dazu zu verpflichten,

  1. Auskunft zu erteilen über die gesamte erhobene Grunderwerbsteuer aus dem Erwerbsvorgang, der sich aus dem Kaufvertrag zu URNr. … des Notars … ergibt und
  2. ihm eine nachträgliche Abschrift des Grunderwerbsteuerbescheides zu übersenden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht stehe dem Auskunftsverlangen des Klägers das Steuergeheimnis entgegen. Eine Befugnis des Beklagten zur Offenbarung der steuerrechtlichen Verhältnisse bestehe jedenfalls nicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 und 2 AO. Da die Grunderwerbsteuer bereits bezahlt ist, diene die Auskunft keinem Besteuerungsverfahren mehr und sei auch nicht kraft einer ge...

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