Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht einer Invaliditätszulage des Europäischen Patentamts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der zum 1.1.2008 eingeführten Invaliditätszulage des Europäischen Patentamts (EPA) handelt es sich nicht um steuerfreie Bezüge, sondern um steuerpflichtige Versorgungsleistungen (Progressionsvorbehalt) i. S. v. Art. 16 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Eurpäischen Patentorganisation (Immunitätenprotokoll).

2. Das Immunitätenprotokoll ist ebenso wie das Statut der Beamten des EPA einer eigenständigen Interpretation zugänglich.

3. Über die steuerliche Behandlung von Zahlungen durch die Mitgliedsstaaten der Organisation kann der Verwaltungsrat der EPO mangels Zuständigkeit und Regelungskompetenz nicht beschließen. Deswegen verletzt auch eine eventuelle, durch die Besteuerung in den Mitgliedsstaaten entstehende Ausgleichspflicht der EPO gegenüber den Beziehern der Invaliditätszulage die EPO nicht in ihrer Organisations- und Hoheitsgewalt, weil die Mitgliedsstaaten insoweit in Ausübung ihrer eigenen Hoheitsrechte handeln.

 

Normenkette

Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation Art. 16 Abs. 1-2; Statuten der Beamten des Europäischen Patentamts Art. 62a; Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente Art. 8, 164 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 Buchst. b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.11.2015; Aktenzeichen I R 28/14)

BFH (Urteil vom 11.11.2015; Aktenzeichen I R 28/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Steuerpflicht einer Invaliditätszulage des Europäischen Patentamts (EPA).

Die verheiratete, im Streitjahr 57 Jahre alte Klägerin erzielte im Jahr 2008 als Mitarbeiterin des EPA Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H. eines Grundgehalts von 61.472,38 EUR. Zusätzlich wurden auf der Gehaltsbescheinigung für 2008, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, neben den Pflichtbeiträgen der Klägerin für die soziale Sicherung sowie den Arbeitgeberbeiträgen, die Beiträge der Klägerin zum Versorgungssystem i.H.v. 5.593,98 EUR und die zugunsten der Europäischen Patentorganisation (EPO) anfallende, nicht im bescheinigten Grundgehalt enthaltene, interne Steuer i.H.v. 22.778 EUR bescheinigt. Ab Oktober 2008 erhielt sie eine sogenannte Invaliditätszulage, die sich im Streitzeitraum auf 12.620 EUR brutto belief. Als interne Steuer wurde davon ein Betrag i.H.v. 3.655 EUR einbehalten.

Nach Aufforderung durch das Finanzamt (FA) M (Beklagter), u.a. für das Jahr 2008 eine Einkommensteuer(ESt)-Erklärung einzureichen, erklärte die Klägerin u.a. den steuerfreien Arbeitslohn i.H.v. 74.093 EUR. Ein Antrag auf Zusammenveranlagung wurde nicht gestellt. Der Erklärung waren das Yearly salary statement 2008 sowie die Aufstellung über die gezahlte Invaliditätszulage für 2008 beigefügt. Zusätzlich legte die Klägerin zwei Bescheinigungen des Europäischen Patentamts zur steuerlichen Behandlung der Invaliditätszulage vor, wonach die Zulage als Bezug unter Art. 16 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der EPO der internen Steuer unterliege und von der staatlichen ESt befreit sei. Auf die EStErklärung samt den Anlagen wird Bezug genommen.

Das FA folgte der Behandlung der Zulage durch die Klägerin nicht. Es stufte die Zulage i.H.v. 12.620 EUR als steuerpflichtige Pensionszahlung i.S.v. Art. 16 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der EPO ein, unterwarf die Zahlung des Grundgehalts i.H.v. 78.657 EUR (61.472 EUR Grundgehalt ./. 5.593 EUR Arbeitnehmerbeitrag zum Versorgungssystem + 22.778 EUR interne Steuer) dem Progressionsvorbehalt und setzte die ESt 2008 im Bescheid vom 14. Januar 2010 auf Basis des Grundtarifs mit 2.120 EUR fest.

Im Rahmen des dagegen eingelegten Einspruchs änderte das FA den Bescheid unter dem Datum vom 9. März 2010 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Dabei erfasste es die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Invaliditätszulage nur noch mit 8.965 EUR (12.620 EUR Zulage brutto ./. 3.655 EUR interne Steuer) und die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte mit 66.037 EUR (78.657 EUR Einkünfte ./. 12.620 EUR Invaliditätszulage). Im Übrigen wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2010 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin weiterhin begehrt, die gewährte Invaliditätszulage als steuerfreie Bezüge zu behandeln. Zur Begründung trägt sie vor, das europäische Patentamt sei ein Organ der EPO, einer zwischenstaatlichen Organisation, die von den Mitgliedstaaten, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, mit Sonderrechten ausgestattet worden sei. Diese fänden sich im Europäischen Patentübereinkommen vom 5. Oktober 1973 (Bundesgesetzblatt – BGBl – II 1976, 649). Gemäß Art. 164 Abs. 1 des Übereinkommens i.V.m. Art 16 Abs. 1 des Protokolls seien Gehälter und Bezüge von der ESt befreit. Nach Art. 16 Abs. 2 unterlägen nur Renten und Ruhegehälter der ESt der Vertragsstaat...

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