Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erbschaftsbesteuerung der nach Annahme eines Vermächtnisses für den Verzicht auf das vermächtnisweise zugewandte Wohnrecht erhaltenen Abfindungszahlung. Vermächtnis – Reparaturfonds § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG. Erbschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Verzichtet ein Vermächtnisnehmer nach Annahme des Vermächtnisses gegen Abfindung auf das ihm vermächtnisweise zugewandte Wohnrecht an einem Einfamilienhaus, unterliegt die Abfindungszahlung auch dann nicht der Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 oder § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG, wenn die Abfindungszahlung der Höhe nach dem der Erbengemeinschaft nach dem Wohnrechtsverzicht zur freien Verfügung stehenden Reparaturfond entspricht, aus dem die Erbengemeinschaft der Vermächtnisnehmerin die Kosten für die an dem Einfamilienhaus durchzuführenden Reparaturen zu erstatten gehabt hätten.

 

Normenkette

ErbStG 1991 § 3 Abs. 2 Nrn. 4-5, § 10 Abs. 5 Nr. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten … zu 1) zu tragen.

3. Die Kosten der Beigeladenen zu 2) mit 6) werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist der Wert eines Vermächtnisses.

Der am 18.1.1994 verstorbene Herr Y. wurde lt. Erbschein vom 10.3.1995 (Bl. 7 FA-Akte) vom Kläger und fünf weiteren Erben zu je 1/6 beerbt. Im Testament vom 16.2.1993 (Bl. 6 FA-Akte) bestimmte der Erblasser u. a., dass seiner Lebensgefährtin, Frau X., ein lebenslängliches Wohnrecht an einem Einfamilienhaus zustehe (auf 140 v.H. erhöhter Einheitswert: 26.040 DM). Von seinem Bargeld sollten 100.000 DM liegen bleiben, über die Frau X. bei anfallenden Reparaturen verfügen könne.

Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 16.5.1995 (Bl. 22 FA-Akte) verzichtete Frau X., die das Vermächtnis angenommen hatte, gegenüber den sechs Erben auf das Wohnrecht gegen Zahlung von 100.000 DM; dieser Betrag entspreche ungefähr dem kapitalisierten Wert des Wohnrechts.

Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 17.5.1995 setzte der Beklagte (Finanzamt = FA) gegen Frau X. Erbschaftsteuer in Höhe von 28.990 DM fest. Die Bemessungsgrundlage ermittelte das FA wie folgt:

  1. Wohnrecht Kapitalwert lt. BewG;

    26.040 DM: 18,6 × 10,421 = 14.589

  2. Guthaben 100.000 DM

Diesen Gesamtwert des Vermächtnisses von 114.589 DM berücksichtigte das FA bei den gegen die sechs Erben ergangenen bestandskräftig gewordenen Erbschaftsteuerbescheiden jeweils anteilig als erwerbsmindernd.

Mit ihrem Einspruch machte die Vermächtnisnehmerin Frau X. geltend, dass ihr vermächtnisweise lediglich das Wohnrecht, jedoch kein Bargeld zugewandt worden sei. Die 100.000 DM seien allenfalls aufschiebend bedingt vermacht worden. Da sie keine Reparaturen durchgeführt habe, sei von den Erben auch nichts aus dem Reparaturfonds ausgezahlt worden. Das FA zog die sechs Erben nach § 360 AO zum Einspruchsverfahren hinzu, da es beabsichtigte, die diesen gegenüber ergangenen Erbschaftsteuerbescheide nach § 174 Abs. 4 und 5 AO zu ändern. Mit Einspruchsentscheidung vom 8.1.1998 (Bl. 98 FA-Akte), die auch den hinzugezogenen sechs Erben bekannt gegeben wurde, ermäßigte das FA die gegen die Vermächtnisnehmerin festgesetzte Erbschaftsteuer antragsgemäß auf 2.300 DM.

Mit gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO geänderten Bescheiden vom 8.1.1998 bzw. 21.1.1998 (Bl. 109–169 – ohne 124–164 – FA-Akte) erhöhte das FA jeweils die gegen die Erben festgesetzte Erbschaftsteuer.

Mit seiner gegen diese ihm erst am 24.1.1998 zugestellten Einspruchsentscheidung erhobenen Klage beantragt der Kläger sinngemäß, die gegen die Vermächtnisnehmerin ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Zur Begründung trägt er vor, dass zum einen das mit dem indizierten Einheitswert von 26.040 DM belastete Grundstück für die Erben völlig wertlos gewesen sei. Zum anderen seien die 100.000 DM mit einem Verfügungsrecht der Vermächtnisnehmerin belastet und hätten den Erben nicht zur Verfügung gestanden; insoweit liege auch keine aufschiebende Bedingung vor. Beide Positionen könnten deshalb aufgrund der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht bei den Erben berücksichtigt werden. Die Zweckbestimmung der 100.000 DM begründe für die Erben eine Nachlassverbindlichkeit; diese werde nicht dadurch beseitigt, dass das Vermächtnis für 100.000 DM abgekauft worden sei.

Ferner macht der Kläger geltend, dass er entgegen des Hinweises in den Änderungsbescheiden nicht als Testamentsvollstrecker für die Erbschaftsteuer der übrigen Erben hafte, weil die Testamentsvollstreckung bereits am 26.3.1996 beendet gewesen sei.

Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 18.2.1998 (Bl. 1 FG-Akte), 4.3.1998 (Bl. 24 FG-Akte) und 21.4.1998 (Bl. 44 FG-Akte) sowie des FA vom 10.3.1998 (Bl. 37 FG-Akte) und 16.3.1998 (Bl. 41 FG-Akte) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 4.4.2001 hat der Senat die Vermächtnisnehmerin sowie die fünf weiteren Erben zum Verfahren beigeladen.

Der Senat hält es für angebracht, über die Klage ohne mündli...

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