Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berücksichtigung von Kosten für die Beschäftigung privater Pflegekräfte als außergewöhnliche Belastung bei Unterbringung in einem Pflegeheim

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Unterbringung in einem Pflegeheim geht die Beschäftigung zusätzlicher privater Pflegekräfte weit über das hinaus, was üblicherweise für die Versorgung von Pflegebedürftigen zur Verfügung gestellt werden kann (nämlich entweder Heimunterbringung oder Versorgung durch ambulante Kräfte im häuslichen Bereich). Hierfür getragene Aufwendungen sind daher unangemessen und können folglich nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

2. Auch eine teilweise Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten unter dem Gesichtspunkt, dass lediglich ein (noch zu bestimmender) überschießender Teil der zusätzlichen Personalkosten als unangemessener Aufwand zu qualifizieren wäre, kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen VI R 55/15)

BFH (Urteil vom 30.03.2017; Aktenzeichen VI R 55/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Berücksichtigung von Kosten für die Beschäftigung von privaten Pflegekräften zur Versorgung einer in einem Seniorenheim untergebrachten Verwandten als außergewöhnliche Belastung.

Frau … (RZ), die am … geborene Mutter der Klägerin, verstarb am …. Sie litt in den Streitjahren unter Morbus Parkinson und wurde mit einer Sonde künstlich ernährt. Sie war in den Streitjahren im Seniorenheim … in A-Stadt vollstationär untergebracht und war zunächst in Pflegestufe I, ab August 2011 in Pflegestufe II eingestuft. Auf die jeweiligen Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom … und …, die bei der Pflegebedürftigkeit für RZ einen Gesamtzeitbedarf von 100 Minuten pro Tag in Pflegestufe I und von 267 Minuten pro Tag in Pflegestufe II ausweisen, wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen. Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem Tod war die Klägerin.

RZ machte in ihren Steuererklärungen u.a. außergewöhnliche Belastungen aus der krankheitsbedingten Unterbringung und dem Pflege- und Betreuungsaufwand in dem Pflegeheim sowie zusätzlich aus der Beschäftigung von privaten Pflegekräften (letztere in Höhe von 55.511 EUR für 2009, 57.958 EUR für 2010, 59.781 EUR für 2011 und 59.949 EUR für 2012), die RZ im Heim betreuten und pflegten, geltend.

Das beklagte Finanzamt (FA) berücksichtigte bei der Veranlagung für die Jahre 2009 bis 2012 die geltend gemachten Kosten für die Unterbringung und Pflege im Pflegeheim (jeweils abzüglich Erstattungen der Krankenkasse und Haushaltsersparnis) als außergewöhnliche Belastungen, berücksichtigte jedoch die geltend gemachten Kosten für die Beschäftigung privater Pflegekräfte lediglich im Rahmen der haushaltsnahen Dienstleistungen und setzte die Einkommensteuer 2009 mit Bescheid vom 3. Juni 2011 auf … EUR, die Einkommensteuer 2010 mit Bescheid vom 17. Februar 2012 auf … EUR, die Einkommensteuer 2011 mit Bescheid vom 22. Januar 2013 auf … EUR und die Einkommensteuer 2012 mit Bescheid vom 5. Mai 2014 auf … EUR fest. Die Bescheide waren adressiert an die Klägerin als Betreuerin der RZ, der Bescheid für 2012 war inhaltlich adressiert an die Klägerin zugleich als Rechtsnachfolgerin nach RZ (Bekanntgabeadressat war ein Empfangsbevollmächtigter der Klägerin).

Gegen die Bescheide legte die Klägerin Einsprüche ein und trug vor, die geltend gemachten Kosten seien als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Ausweislich des ärztlichen Attestes vom …, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, erfordere die besondere Art und Schwere der Erkrankung der RZ eine aufwendige und besondere Pflege, die vom Pflegepersonal des Heimes innerhalb der routinemäßigen Tätigkeit nicht geleistet werden könne.

Mit aus anderen Gründen zuletzt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 11. Juli 2014 (adressiert an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der RZ und bekanntgegeben ihrem Empfangsbevollmächtigten) wurde die Einkommensteuer 2010 auf … EUR und die Einkommensteuer 2011 auf … EUR festgesetzt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. August 2014 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Dabei ging das FA weiter davon aus, dass die Klägerin keine Bescheinigung der Heimleitung beigebracht habe, aus der sich die medizinische Erforderlichkeit der ergänzenden Betreuung im vorliegenden Umfang ergebe und dass davon ausgegangen werden müsse, dass die vollstationäre Pflege medizinisch ausreichend gewesen sei. Die zusätzlich entstandenen Kosten für das private Pflegepersonal stünden bei einem Vergleich mit Heimbewohnern mit gleichgelagertem Krankheitsbild in einem offensichtlichen Missverhältnis zum medizinisch indizierten Aufwand und außerhalb des Üblichen; damit fehle es an der erforderlichen Angemessenheit. Demgemäß waren vom FA (im Ergebnis lediglich) die folgenden Aufwe...

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