Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen das Verbot der Selbstlosigkeit durch unangemessenes Ausgabeverhalten; Mitgliedsbeiträge teilweise als verstecktes Entgelt für die Gehwährung besonderer wirtschaftlicher Vorteile (Bezug einer Zeitschrift)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO) kann auch dann gegeben sein, wenn eine Körperschaft ihre Mittel nicht überwiegend für ihre satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke, sondern zur Deckung ihrer Verwaltungskosten und der zum Erhalt von Spenden bzw. der Werbung neuer Mitglieder betriebenen Öffentlichkeitsarbeit verwendet. Entscheidend dafür ist allein, ob bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls das Ausgabeverhalten der Körperschaft angemessen ist.

2. Unangemessen ist ein Ausgabeverhalten auch dann, wenn damit gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen wird. Letzteres trifft auf die Gewinnung von Mitgliedern für einen Idealverein gegen eine Beteiligung am Beitrag zu.

3. Soweit eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Personenvereinigung eine den Sonderbelangen der einzelnen Mitglieder dienende selbständige Leistung erbringt und die Beiträge Entgelt für diese Leistungen darstellen, handelt es sich nicht um Mitgliedsbeiträge i. S. des § 8 Abs. 6 KStG.

4. Die Feststellung einer --den Sonderbelangen der Mitglieder einer Personenvereinigung dienenden-- eigenständigen Leistung reicht nicht aus, um Mitgliedsbeiträge als (teilweise) verdecktes Entgelt zu qualifizieren. Erforderlich dafür ist insoweit, dass die Mitglieder ihre Beiträge erbringen, um damit die betreffende konkrete Leistung des Vereins abzugelten. Entscheidend ist, ob ein (zivilrechtliches) Austauschverhältnis in dem Sinne begründet wird, dass dem Mitglied die Leistung konkret geschuldet wird und demnach bei deren Ausfall ein Leistungsverweigerungsrecht für die darauf entfallenden Mitgliedsbeiträge besteht.

5. Übersteigen die Beitragszahlungen der Mitglieder den Wert einer vom Verein erhaltenen Zeitschrift bei weitem und betreffen sie somit überwiegend die Förderung der Gesamtbelange des Vereins, kann ein Anteil des Mitgliedsbeitrags als Entgelt nur ausgeschieden werden, wenn ein solches entweder ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden ist oder sich eine solche Vereinbarung zumindest aus sonstigen Umständen ergibt. Davon ist auszugehen, wenn den Mitgliedern beim Erwerb ihrer Mitgliedschaft der Bezug der Zeitschrift ausdrücklich zugesagt wurde.

6. Für die Frage nach dem Aufteilungsmaßstab eines Beitrags in einen echten Mitgliederbeitrag und in ein Entgelt ist zu berücksichtigen, dass sich das Vereinsmitglied bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zum Verein der diesem kraft seiner Vereinsautonomie zustehenden Bestimmungsgewalt unterwirft.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 6; AO 1977 § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.12.2002; Aktenzeichen I R 60/01)

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Kläger als gemeinnützig anzuerkennen ist, ferner, ob es sich bei den an den Kläger entrichteten Mitgliederbeiträgen teilweise um ein verstecktes Entgelt für die Gewährung besonderer wirtschaftlicher Vorteile (Bezug einer Zeitschrift), also sog. unechte Mitgliederbeiträge gehandelt hat.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Sein Zweck ist es, durch Aufklärung und gutes Beispiel Liebe und Verständnis für die lebende Tierwelt zu wecken, das Wohlergehen und eine artgerechte Haltung der Tiere zu fördern (§ 2 der Satzung).

Ebenso wie im Vorjahr lehnte es der Beklagte (das Finanzamt –FA–) auch für die Streitjahre ab, den Kläger als gemeinnützig anzuerkennen. Dabei ging es wie im Vorjahr davon aus, der Kläger habe einen erheblichen Teil der Mitgliederbeiträge einem Werbeunternehmen für die Werbung neuer Mitglieder bezahlt. Das FA wertete dies als einen Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977–).

Bei der Überprüfung der Geschäftstätigkeit des Klägers stellte das FA darüber hinaus fest, dass der Kläger seit März 1986 das Vereinsjournal „…” an seine Mitglieder verschickt. Zum Bezug der Zeitschrift ist in der Satzung nichts bestimmt. Allerdings war in den Aufnahmeanträgen des Klägers für die Jahre 1986 und 1987 zunächst noch vorgesehen, dass die Mitglieder für den Bezug der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift eine Unkostenpauschale von 16 DM pro Jahr zu entrichten hatten. Tatsächlich erfolgte die Abgabe – einer vereinsinternen Mitteilung entsprechend – aber unentgeltlich. Ab dem Jahr 1988 ist bereits in den Aufnahmeanträgen ausdrücklich bestimmt, dass die Zeitschrift den Mitgliedern kostenlos überlassen wird.

Dazu vertrat das FA im Schreiben an den Kläger vom 6. Februar 1989 die Auffassung, für die Jahre 1986 und 1987 erscheine es „vertretbar”, die ganze Zeitung „als Vereinszeitung” einzustufen. Demgegenüber unterscheide sich die Berichterstattung im Jahr 1988 nicht mehr von solchen der Fachzeitschrift „Das Tier”. Es sei daher beabsichtigt, die Zeitung zum Teil als wirtschaftlichen Ge...

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