Entscheidungsstichwort (Thema)

Avalprovisionen bzw. Provisionen für eine von einem Tankstellenpächter zur Sicherung offener Forderungen des Tankstellenverpächters gestellte Bankbürgschaft als Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Begriff der Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG ist weit auszulegen und umfasst neben Darlehenszinsen, sonstigen Finanzierungskosten, Kosten der Besicherung wie Notargebühren für eine Grundschuld- oder Hypothekenbestellung, Gewinnanteilen eines typisch stillen Gesellschafters auch Entgelte für eine Bürgschaft wie Avalzinsen und Avalprovisionen (im Streitfall: Avalzinsen für eine von einem Tankstellenpächter als Sicherheit für offene Forderungen des Tankstellenverpächters gestellte Bankbürgschaft); das gilt auch dann, wenn eine wirtschaftlich mit der Aufnahme eines Darlehens vergleichbare Bürgschaft der Fremdfinanzierung von Umlaufvermögen dient.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4a Sätze 1-4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 31.08.2022; Aktenzeichen X R 15/21)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt EUR 1.500,00.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Behandlung von Avalprovisionen als Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz –EStG–.

1.

Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2014 bis 2016 eine Tankstelle und erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Tankstelle hatte er von der A gepachtet und mit ihr einen Tankstellenpachtvertrag abgeschlossen. Der Kläger hatte sich darin unter anderem verpflichtet, eine Sicherheit zu stellen. In der „Ergänzung Nr. 32 zum Tankstellen-Verwalter-Vertrag” vom …2013 heißt es:

„Verwalter stellt … zur Sicherung aller Forderungen aus der Geschäftsverbindung und der Beistellung des Agenturbestandes eine von … anerkannte Sicherheit.

In die Geschäftsverbindung fallen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche Dritter, insbesondere Ansprüche gemäß kommunalen Abgabenrechts, für die … bei Nichtzahlung des Verwalters als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden kann.

Form der Sicherheit

Höhe der Sicherheit (in EUR)

Bankbürgschaft

45.000”

Zur Erfüllung dieser Verpflichtung schloss der Kläger am …2013 mit der B-Bank einen „Kreditvertrag für Avalkredite”. Darin heißt es:

  1. „Die Bank stellt dem Kreditnehmer einen Avalkredit zur Verfügung in Höhe von 45.000 EUR.
  2. Bis zur Höhe dieses Betrages wird die Bank im Auftrag und für Rechnung des Kreditnehmers gegenüber bzw. bei verschiedenen Gläubigern Bürgschaft leisten für (Zweck, Grundgeschäft) Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung für …”

Der Kläger verpflichtete sich, für die Bereitstellung des Avals monatlich eine Provision und Kontoführungsgebühren zu zahlen. Die entsprechenden Avalzinsen bzw. Avalprovisionen bilanzierte der Kläger unter Konto 2038, und zwar für 2014 EUR 2.026,54, für 2015 EUR 1.824,00 und für 2016 EUR 1.824,00. Außerdem bilanzierte er unter Konto 2010 Zinsaufwendungen für kurzfristige Verbindlichkeiten.

Für die Streitjahre reichte der Kläger Feststellungserklärungen ein. Der Beklagte stellte die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb für die Streitjahre gesondert fest und folgte dabei inhaltlich den Erklärungen des Klägers. Das geschah für 2014 durch Bescheid vom 07.06.2016, für 2015 durch Bescheid vom 24.11.2016 und für 2016 durch Bescheid vom 17.01.2018. Alle Bescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung –AO– unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen der Veranlagung 2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Ermittlung der Unter- und Überentnahmen seit 2006 einzureichen. Der Kläger antwortete darauf mit Steuerberaterschreiben vom 27.09.2019. Er teilte insbesondere mit, dass sich seiner Auffassung nach ohnehin kein beschränkter Schuldzinsenabzug ergebe, denn die Avalprovisionen dienten der Absicherung des Warenbestandes, seien alternativ zu Barkautionen von der Mineralölgesellschaft vertraglich gefordert und seien keine Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG. Für die Einordnung als Schuldzinsen müsse die Einnahme von Bürgschaftsprovisionen beim nichtgewerblichen Steuerpflichtigen zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, was jedoch nach der Rechtsprechung des BFH nicht zutreffe. Eine Warenbürgschaft – wie hier – diene nicht der Erlangung oder Sicherung eines Kredits; eine Kapitalüberlassung liege nicht vor.

Auch nach dem BMF-Schreiben vom 02.11.2018 (BStBl I 2018, 1207) handle es sich nicht um Schuldzinsen; denn Bürgschaften und die dafür gezahlten Entgelte seien dort nicht genannt.

Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung, dass es sich bei den Avalprovisionen um Schuldzinsen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG handle.

Mit Steuerberaterschreiben vom 07.11.2019 und vom 11.11.2019 legte der Kläger eine Berechnung der Unter- und Überentnahmen für die Jahre 2006 bis 2016 vor. Er teilte die folgenden Zahlen mit:

Am 26.11.2016 ergingen für die Jahre 2014 bis 2016 geänderte Feststellungsbescheide, mit denen die Einkünfte um nach Auffassung des Beklagten ni...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge