Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der Pendlerpauschale auf Fahrtkosten eines Hochschulstudiums

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme sind (vorweg) abziehbare Werbungskosten, sofern sie beruflich veranlasst sind.

2) Aufwendungen im Zusammenhang mit Fahrten zu einer Hochschule, die der Steuerpflichtige im Rahmen eines "herkömmlichen" Präsenzstudiums nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht, können nur mit der Pendlerpauschale berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.02.2012; Aktenzeichen VI R 44/10)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Kosten der Klägerin für Fahrten zur Schule P mit der Pendlerpauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die 1968 geborene Klägerin hatte im Streitjahr keine Einkünfte. Sie beendete im Jahr 1995 ein Hochschulstudium als Diplom-Sozialpädagogin. Der Studienabschluss qualifizierte sie in Verbindung mit einem weiteren Fach auch für eine Lehramtstätigkeit an Berufskollegs. Nachdem die Klägerin Anfang 2005 arbeitslos geworden war, begann sie im April 2005 ein Studium bei der Hochschule in P, Studiengang Lehramt an Berufkollegs/Fach H. Ein entsprechendes Grundstudium schloss sie im Oktober 2007 erfolgreich ab. Ihr Studium an der Hochschule beendete sie im Wesentlichen im Sommer 2009. Nach dem Abschluss des H-Studiums wollte die Klägerin an einer Berufsschule als Lehrerin für Sozialpädagogik und H tätig werden.

Die Klägerin war nach einer im Klageverfahren vorgelegten Aufstellung im Streitjahr insgesamt an 157 Tagen an der Hochschule in P anwesend. Die Anwesenheitstage verteilten sich dabei im Einzelnen wie folgt:

Tage

WiSe 05-06

28

… vorles. freie Zeit

… Termin Fachprüfung

9

1

1

1

1

1

Sommersemester

70

vorlesungs. frei

9

1

1

1

1

1

WS 06-07

40

166

Feiertage, unterrichtsfrei

9

157

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin in Bezug auf ihr Studium Aufwendungen in Höhe von insgesamt 5.787,09 EUR als (vorweggenommene) Werbungskosten geltend. Neben Semesterbeiträgen (1.586 EUR) und Kosten für Büromaterial und Bücher (286,09 EUR) handelte es sich hierbei um Kosten für insgesamt 145 Fahrten zur Schule P (3.915 EUR) Die Fahrtkosten ermittelte sie nach Dienstreisegrundsätzen indem sie pro gefahrenem Kilometer (Entfernung zwischen Wohnung und Hochschule in P 45 km) 0,30 EUR ansetzte.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 20.05.2008 erkannte der Beklagte die Aufwendungen für das Studium lediglich i.H.v. 3.761 EUR als Sonderausgaben an. Die Kosten für Büromaterial kürzte er dabei um einen Betrag von 68,63 EUR, weil insoweit kein Zusammenhang mit dem H-Studium erkennbar sei. Die Fahrtkosten zur Schule berücksichtigte er lediglich im Rahmen der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.H.v. 1.957,50 EUR (145 × 45 km × 0,30 EUR).

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und begehrten u.a. die Berücksichtigung der Kosten für die Fahrten zu der Schule in der geltend gemachten Höhe von 3.915 EUR. Die Anwendung der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kämen im Streitfall nicht in Betracht, weil es sich bei der Schule nicht um eine regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin handele. Das Studium sei von Beginn an befristet, so dass es an einer dauerhaften Einrichtung fehle. Dieser Auffassung habe sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 26.10.2005, BStBl I 2005, 560).

Der Beklagte erließ am 17.10.2008 einen Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem er weitere Kosten der Klägerin für Büromaterial und Bücher in Höhe von 41 EUR als Berufsausbildungskosten anerkannte. Der Bescheid, in dem nunmehr Berufsausbildungskosten i.H.v. insgesamt 3.802 EUR berücksichtigt sind, wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

Das Begehren der Kläger in Bezug auf die weitergehende Anerkennung von Fahrtkosten blieb erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 29.06.2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Kosten der Klägerin für ihr Zweitstudium an der Schule seien zwar als vorweggenommene Werbungskosten anzuerkennen. Die Klägerin habe insoweit schlüssig dargelegt, dass sie nach Abschluss des Studiums beabsichtigt habe, als Berufsschullehrerin Einkünfte gemäß § 19 EStG zu erzielen. Bei der Berechnung der abzugsfähigen Aufwendungen seien die Kosten für Fahrten zwischen der Wohnung und der Schule jedoch nur eingeschränkt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuerkennen. Nach dieser Regelung seien Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Benutzung eines Kraftwagens lediglich mit 0,30 EUR für jeden Entfernungskilometer anzusetzen. Diese Begrenzung sei auch bei beruflichen Bildungsmaßnahmen zu beachten, da...

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