Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld in 2010 für einen Zivildienstleistenden über das 25. Lebensjahr hinaus

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Nach dem Urteil des BFH v. 14.5.2002 - VIII R 61/01, BStBl. II 2002, 807 ist für den Zeitraum des gesetzlichen Zivil- oder Wehrdienstes dann Kindergeld zu bewilligen, wenn das Kind während dieses Zeitraums zugleich ernsthaft und nachhaltig ein Studium betreibt. Dieser Fall ist nicht anders zu sehen als ein berufsbegleitendes Studium.

2) Zwischen den Tatbeständen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG (Berufsausbildung) und des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (Verlängerungstatbestand) besteht keine verdrängende Konkurrenz in dem Sinne, dass für Zeiten des Zivildienstes eine Berücksichtigung des Kindes auch dann ausgeschlossen ist, wenn das Kind zugleich für einen Beruf ausgebildet wird.

3) Nach Auffassung des Gerichts würde es Sinn und Zweck des § 32 Abs. 5 zuwider laufen, wenn sowohl während des Wehr- oder Zivildienstes Kindergeld gewährt, als auch die Höchstdauer des Kindergeldbezugs um die Zeit des Dienstes verlängert wird. Wenn aber während der Zeit des Dienstes zugleich eine Schul- oder Berufsausbildung betrieben wird, kann davon ausgegangen werden, dass sich der Abschluss der Ausbildung gerade nicht verzögert.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.09.2013; Aktenzeichen XI R 12/12)

 

Tatbestand

Strittig ist, ob der Kläger für seinen Sohn C wegen Ableistung des gesetzlichen Zivildienstes über das 25. Lebensjahr hinaus (ab Mai 2010) Kindergeld beanspruchen kann. Der im April 1984 geborene Sohn des Klägers vollendete im April 2010 sein 25. Lebensjahr. Er hatte nach dem Abitur im Juni 2004 in der Zeit vom 2. November 2004 bis 31. Juli 2005 (neun Monate) Zivildienst geleistet (Bl. 154 KG-Akte). Für den Zeitraum vor Beginn des Zivildienstes (Juli bis September 2004) erhielt der Kläger Kindergeld (1. Übergangszeitraum im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG).

Während der Zeit des Zivildienstes war der Sohn im Wintersemester 2004/2005 (1. Oktober 2004 bis 31. März 2005 = sechs Monate) bei der Universität K im Fachbereich Mathematik eingeschrieben und hatte erfolgreich an den Übungen zum Kurs Lineare Algebra I und Analysis I teilgenommen. Im letztgenannten Fach hatte er am 26. Februar 2005 auch eine Klausur absolviert (Bestätigungen der Universität K vom 7. März 2005, Bl. 155 KG-Akte, und vom 10. März 2005, Bl. 159 KG-Akte). Aus diesem Grunde wurde dem Kläger (auch) für die gesamte Zeit des Zivildienstes Kindergeld gewährt. Ebenso wurde der Sohn nach dem Ende des Zivildienstes in den Monaten August und September 2005 als Kind berücksichtigt (2. Übergangszeitraum im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG).

Seit Oktober 2005 absolviert der Sohn ein Physik-Studium (Bl. 166, 189, 197 KG-Akte). Die letzte Studienbescheinigung ist gültig für das Sommersemester 2010 (bis 31. August 2010, Bl. 200 KG-Akte). Es handelt sich um das 10. Fachsemester, mit dem auch die Förderungshöchstdauer nach dem BAföG endet (Bl. 201 KG-Akte).

Der Kläger erhielt für den Sohn Kindergeld bis einschließlich April 2010. Mit Bescheid vom 18. Mai 2010 hob die Beklagte (Familienkasse B) die Festsetzung des Kindergeldes ab Mai 2010 wegen der Vollendung des 25. Lebensjahres des Sohnes auf.

Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, das Kindergeld sei über das 25. Lebensjahr des Kindes hinaus für die Dauer des Zivildienstes zu gewähren. Durch den Zivildienst habe sich der Beginn des regulären Studiums um zwei Semester verzögert. Das von dem Sohn betriebene Studium sei kein Vollzeitstudium gewesen.

Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. September 2010 zurück. Das Kind sei wegen der Vollendung des 25. Lebensjahres nicht mehr zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (Verlängerungstatbestand aufgrund des Zivildienstes) komme nicht zur Anwendung, weil der Kläger für die Zeit des Zivildienstes Kindergeld erhalten habe.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Verlängerungstatbestand des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegend eingreife. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger für die Zeit des Zivildienstes des Sohnes Kindergeld erhalten habe. Denn auch während des Zivildienstes habe sich der Sohn in Berufsausbildung befunden, so dass nach dem Urteil des BFH vom 14.05.2002 VIII R 61/01, BStBl II 2002, 807 Kindergeld zu gewähren war. Gleichwohl sei durch den Zivildienst die Dauer der Berufsausbildung verzögert worden. Gerade dieser Nachteil solle durch die Vorschrift des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgefangen werden. Die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 EStG und des § 32 Abs. 5 EStG stünden selbständig nebeneinander. Wegen der unterschiedlichen Regelungstatbestände komme eine Anrechnung nicht in Betracht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so hätte er dies im Gesetz ausdrücklich regeln müssen.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 18.05.2010 in Gestalt der Ei...

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