Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Steuerbefreiung von Leistungen, die mit Kinder- und Jugendarbeit verknüpft sind

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter aufgrund der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit reicht es für sich allein jedoch nicht schon aus, dass der Unternehmer lediglich als Subunternehmer für eine vom Mitgliedstaat ausdrücklich oder zumindest aufgrund unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zu dem örtlichen Träger der Sozialversicherung anerkannte Einrichtung tätig geworden ist.

2. Die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung i.S.d. § 45 SGB VIII kann nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und Funktion nicht einer staatlichen Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gleichgesetzt werden.

 

Normenkette

MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. h; SGB VIII § 45; UStG § 4 Nr. 25

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.04.2016; Aktenzeichen V R 55/14)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin eine von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG – MWSTSystRL – ist.

Die Klägerin ist eine am ….7.2001 gegründete GmbH, die nach ihrem Gesellschaftsvertrag (§ 2 Abs. 1) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ist Zweck der Gesellschaft u.a. die Förderung der Jugend in Bildung und Erziehung, der Jugendhilfe nach §§ 27 ff. KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz). Der Satzungszweck wird insoweit nach § 2 Abs. 3 Buchst. a des Gesellschaftsvertrages insbesondere durch Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. KJHG, hier insbesondere die Unterhaltung einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für stationäre und ambulante Hilfen, zur Bekämpfung von Verwahrlosung, unter anderem bei Drogenmissbrauch, körperlicher und seelischer Misshandlung, verwirklicht.

Die Klägerin erbringt u.a. Betreuungsleistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII). Entsprechende Betriebserlaubnisse gemäß § 45 SGB VIII sind ihr durch den Landschaftsverband C – Landesjugendamt – mit Bescheiden vom 18.2.2002 und 2.3.2007 erteilt worden. Die Entgelte für diese Betreuungsleistungen stellte die Klägerin als Subunternehmerin gegenüber der als Trägerin der freien Jugendhilfe nach § 75 in Verbindung mit § 45 SGB VIII anerkannten A GbR in Rechnung. Diese rechnete die unter Einschaltung der Klägerin erbrachten Leistungen mit den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ab.

Als Ergebnis einer am 8.2.2010 begonnenen und mit Bericht vom 15.4.2010 abgeschlossenen Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B die Auffassung, dass die von der Klägerin im Jahr 2007 erbrachten Leistungen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII i.H.v. 137.230 EUR brutto (115.319 EUR netto) umsatzsteuerpflichtig seien. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWSTSystRL lägen nicht vor, da die Klägerin keine vom nationalen Gesetzgeber anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter sei. In § 4 Nr. 25 des Umsatzsteuergesetzes in der bis zum 1.1.2008 geltenden Fassung – UStG – habe der nationale Gesetzgeber den Begriff der anerkannten Einrichtung mit sozialem Charakter nicht definiert. Der BFH habe mit Urteil vom 8.11.2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634, entschieden, dass nur die Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt seien, die unmittelbar mit den öffentlichen Trägern der sozialen Sicherheit abrechneten. Folglich gelte die Steuerbefreiung nicht, wenn – wie im Streitfall – eine Einrichtung als Subunternehmer nicht unmittelbar mit den öffentlichen Trägern abrechne. Der Steuersatz betrage 19 %, da der Klägerin wegen Verstoßes gegen die Anforderungen der Selbstlosigkeit nach § 55 der AbgabenordnungAO – die Gemeinnützigkeit und damit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG zu versagen sei. Hierzu werde auf die Feststellungen in Tz. 2.2, 2.3 und 2.5 des Betriebsprüfungsberichtes verwiesen. Auf der Grundlage der Aufteilung der Eingangsleistungen im Schätzungswege nach § 15 Abs. 4 UStG könnten im Jahr 2007 Vorsteuern i.H.v. 1.944 EUR abgezogen werden.

Der Beklagte setzte dieses Ergebnis der Außenprüfung mit dem Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 15.6.2010 um, indem er im Rahmen einer erstmalig durchgeführten Veranlagung die Umsatzsteuer auf 19.966,61 EUR festsetzte.

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9.6.2011 als unbegründet zurück. Eine Steuerbefreiung der Umsätze der Klägerin nach § 4 Nr. 25 UStG komme nicht in Betracht, da die Klägerin weder anerkannter (§ 75 SGB VIII) noch förderungswürdiger (§ 74 SGB VIII) Träger der freien Jugendhilfe sei. Voraussetzung sei hierfür u.a., dass der jeweilige Träger gemeinnüt...

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