Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines Steuerbescheides bei nachträglichem Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln zuungunsten des Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Beurteilung der Frage, ob bestandskräftige Steuerbescheide wegen nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden dürfen, kommt es grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Personen an, die innerhalb der Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten. Kenntnisse einer anderen als der zuständigen Dienststelle sind deswegen nicht auch der zuständigen Dienststelle zuzurechnen.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger sind in den Streitjahren zusammenveranlagte Eheleute. Neben Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit erklärten die Kläger in den Steuererklärungen der Jahre 1988 bis 1995 u.a. folgende Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus dem Haus I:

1988

47.656,– DM

1989

43.403,– DM

1990

43.996,– DM

1991

31.540,– DM

1992

28.629,– DM

1993

29.504,– DM

1994

23.240,– DM

1995

34.900,– DM

Bei dem Haus handelte es sich ursprünglich um ein Einfamilienhaus, das nach Umbaumaßnahmen in den Jahren 1985 und 1986 als Zweifamilienhaus bewertet worden ist. Die Hauptwohnung bewohnen die Kläger selbst. Die durch den Umbau geschaffene Einliegerwohnung ist nach ihren Angaben nach einem Mietvertrag vom 28.06.1986 an Frau S vermietet.

Aufgrund bestimmter Umstände gelangte der Beklagte in der Folgezeit zu der Annahme, dass das Mietverhältnis mit Frau S vorgetäuscht ist. Der Beklagte beauftragte daraufhin das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung der Stadt L mit den weiteren Ermittlungen. Nach einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts der Stadt L Gz. … vom 05.06.1998 fand bei den Klägern eine Steuerfahndungsprüfung statt, bei der die Wohnung der Kläger samt Nebenräumen durchsucht wurde. Dabei gelangten die Prüfer zu der Auffassung, dass es sich bei dem Mietvertrag mit Frau S um ein Scheinmietverhältnis handele und die Kläger das gesamte Haus zu eigenen Wohnzwecken nutzten. Die Prüfer erkannten die geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht an. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird insoweit auf den Steuerfahndungsbericht vom 10.11.2000 verwiesen.

Im Zuge der Steuerfahndungsprüfung stellten die Prüfer weiterhin fest, dass die Kläger in erheblichem Umfang Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt haben, die zum Teil nicht erklärt worden sind. Hierbei handelt es sich zum einen um Kapitaleinnahmen aus Anlagen, die auf den eigenen Namen des Klägers angelegt worden sind und zum anderen um Kapitaleinnahmen aus Anlagen, die auf den Namen der Kinder der Kläger J und B angelegt waren. Die Anlagen auf den Namen der Kinder rechneten die Prüfer den Klägern zu, weil alle Zahlungen auf die Kapitalanlegekonten der Kinder und alle Rückflüsse von diesen Konten, die auf den Namen der Kinder lauteten über ein Konto des Klägers abgewickelt worden sind. Das zurückgeflossene Kapital und die darauf entfallenden Zinsen wurden von den Klägern wieder selbst verwandt.

Ferner wurde bei der Prüfung an Hand von aufgefundenen Unterlagen bekannt, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang durch Darlehensgewährung an Dritte weitere Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hat. Die gesamten Einkünfte aus Kapitalvermögen ermittelten die Prüfer in folgender Höhe:

1988

33.069,– DM

1989

29.985,– DM

1990

45.716,– DM

1991

42.580,– DM

1992

65.742,– DM

1993

39.493,– DM

1994

34.203,– DM

1995

40.318,– DM

1996

29.386,– DM

Wegen der gesamten Einzelheiten hierzu wird ebenfalls auf den Steuerfahndungsbericht Bezug genommen.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüfer und erließ für die Jahre 1988 bis 1993 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und für die Jahre 1994 und 1995 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide. Für das Jahr 1996 wurde eine erstmalige Veranlagung durchgeführt. Die Bescheide tragen das Datum vom 23.05.2001.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, in dem für die Jahre 1988 bis 1990 geänderte Einkommensteuerbescheide vom 27.02.2002 ergangen sind, haben die Kläger vorliegende Klagen erhoben, die durch Beschluss vom 28.06.2004 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind.

Die Kläger tragen vor, was den Mietvertrag über die Einliegerwohnung angehe, treffe nicht zu, dass es sich dabei um ein Scheinmietverhältnis gehandelt habe. Es sei richtig, dass Frau S ihre Hauptwohnung zusammen mit ihrem Lebenspartner und späteren Ehemann in der Stadt H und dann ab Mai 1990 in der Stadt C gehabt habe. Bei der von Frau S angemieteten Einliegerwohnung habe es sich nur um eine Zweitwohnung gehandelt, die nicht ihren Lebensmittelpunkt dargestellt habe, sondern nur als Ausweichquartier und aus persönlichen Gründen als Rückzugsraum dienen sollte. Wegen der sporadischen Nutzung habe die Wohnung auch keinen eigenen Telefonanschluss gehabt. Die Wohnung habe jedoch über einen eigenen Strom- und Wasseranschluss verfügt. Während der voraussichtlic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge